CDs, Lektüre & Konzert

Weihnachten & Bach revisited

In knapp einem Monat ist Weihnachten. E-Musik und das Christfest sind fast untrennbar mit J. S. Bach verbunden. Dazu Tipps von Fra Bernardo, mit welchen Aufnahmen, darunter einer Harnoncourt-Rarität, und welcher Lektüre über den Thomaskantor man Freude schenken kann.

Was schenken? Bach! Denn das Christfest und der Thomaskantor sind ja nahezu untrennbar miteinander verbunden.

Mit Gänsehaut

Wo gibt es denn wirklich überzeugende Sänger, wenn es um die Interpretation von Bach geht? Dünn sind sie gesät, für mich - vor allem im Bereich der Sopran und Alt - auf wenigen Fingern aufzuzählen. Wie ich’s mir in etwa vorstelle, kann man in der ersten Arie der "Kreuzstab-Kantate" hören: Gesungen von Thomas Quasthoff. Der Gestus stimmt, vielleicht ein wenig zu romantisch, aber hier gebühren dem Kandidaten 100 Punkte. Allerdings muß man die Intonationstrübungen in der Stimme wegdenken und sich die äußerst flach und blaß spielenden "Berliner Barock Solisten" wegfiltern.

Eindeutige Referenz

Für die "Kreuzstab-Kantate" und auch für die Kantate "Ich habe genug" ist für mich noch immer die Aufnahme mit Harry van der Kamp und dem hervorragend musizierenden Ensemble "Fiori Musicali". Als beinahe einzigem Sänger der Alten-Musik-Szene versteht man bei ihm jedes Wort. Und darauf kommt es wohl an.

Aus dem "Zimmermannischen Kaffeehaus"

Dort musizierte Bach einst mit seinem Collegium Musicum jeden Freitag. Er selbst saß dabei wohl am Cembalo, spielte eines seiner Konzerte oder hielt ein wachsames Auge auf seine Söhne, die sich in diesen öffentlichen Konzerten produzierten. Das französische Ensemble "Café Zimmermann" hat einige dieser Bach-Konzerte aufgenommen: transparent, spritzig, virtuos. Und mit einem Klangempfinden, wie man es sich wünscht. Besonders schön: das Konzert für zwei Violinen. Eine Pflicht für jeden Bach-Liebhaber.

Aviso: Harnoncourt-Rarität in ORF-Edition

In der "ORF Edition Alte Musik" erscheint in zehn Tagen die erste Plattenaufnahme von Nikolaus Harnoncourt aus dem Jahr 1950. Und zwar mit Johann Sebastian Bachs "Brandenburgischen Konzerten III, IV & VI". Runde Geburtstage sind manchmal eine ganz willkommene Sache. In unserem Fall ein Anlass, mit dieser Edition gleich zweier Jubiläen zu gedenken: des 100. Geburtstages von Josef Mertin und des 75. Geburtstages von Nikolaus Harnoncourt, dessen erste Plattenaufnahme vorliegende Edition darstellt.

Freilich ist mir bewusst, dass es dem Pionier der Alten Musik in Österreich, Josef Mertin (ich kenne wenige, die so uneitel waren wie er) kein wirkliches Anliegen wäre, jetzt noch einmal eine historische Aufnahme - und schon gar nicht seine eigene - zu veröffentlichen. Wahrscheinlich hätte er auch die Umstände bei der Aufnahme 1950 etwas übertreibend als "Ritt über den Bodensee" beschrieben. Dennoch stellen diese Einspielungen einen denkwürdigen Baustein in der Wiederbelebung Alter Musik dar. Sie entstanden im Bemühen um musikalische Wahrheit im Bach-Jahr 1950. Dass Gustav Leonhardt, der am Beginn der 1950er Jahre in Wien an der damaligen Musikakademie Cembalo unterrichtete, als Gambist im 6. Konzert, sowie Eduard Melkus mitwirken, erhöht den künstlerischen Wert der Produktion.

Zum Nachlesen: Bach-Biografie ...

Wer mehr über Bachs Biografie erfahren möchte, dem sei "Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke" von Johann Nikolaus Forkel empfohlen. Bereits 1802 erschienen, gibt das Buch dennoch - auch durch die Sprache des Autors! - einen sehr guten Eindruck von der Persönlichkeit des Komponisten und der Bedeutung seiner Werke für die abendländische Kultur. Das Reprint ist im Henschel Verlag im Jahr 2000 erschienen.

... und "Bach-Handbuch"

Wer noch tiefer in die Materie eindringen will, dem sei das "Bach Handbuch", herausgegeben von Konrad Küster bei Metzler/Bärenreiter empfohlen. Auf beinahe 1.000 Seiten bringen Wissenschafter und Musiker schier unerschöpfliche Informationen zu Werk und Person des Thomaskantors.

Ein Konzert-Muss

Ist in dieser Jahreszeit für mich das Bachsche "Weihnachts-Oratorium". Bereits als Teenager prägte sich mir die Musik unter BWV (Bach Werke Verzeichnis) 248 ein. "Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage" - wie haben die Sängerknaben seinerzeit unter Bach in der Leipziger Thomaskirche diese Worte am beginn des Oratoriums deklamiert? Wohl mit leicht sächsischem Akzent! Jedenfalls so, daß sich bereits die Leipziger im 18. Jahrhundert so wie ich nie daran satt hören konnten.

Text: Fra Bernardo (alias Bernhard Trebuch)

P.S.: ... über Reaktionen im Forum würde sich Fra Bernardo sehr freuen!

CD-Tipps
"Kreuzstab-Kantate" mit Thomas Quasthoff, "Berliner Barock Solisten" (1 SACD, Nr. 00289 474 5052), DGG

Bach-Kantaten mit Harry van der Kamp (L 3297), MDG

Bach-Konzerte mit dem Ensemble "Café Zimmermann" (2 CDs, Nr. 013 & Nr. 48), Disques Alpha

"ORF Edition Alte Musik": Die erste Plattenaufnahme von Nikolaus Harnoncourt aus dem Jahr 1950, ORF-CD 379, erhältlich in ca. 14 Tagen, ORF-Shop

Buch-Tipps
"Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke", von Johann N. Forkel, Henschel Verlag

"Bach-Handbuch", Hrg. Konrad Küster, Metzler Verlag

Konzert-Tipp
J.S. Bach: "Weihnachtsoratorium", Amsterdam Baroque Orchestra, Amsterdam Baroque Choir, Dirigent: Ton Koopman, 8. Dezember 2004, Beginn: 19:30 Uhr, Musikverein

Links
Thomas Quasthoff
Fiori Musical
Ensemble Café Zimmermann
Ton Koopman & Amsterdam Baroque Orchestra