Private Compilations, die Eltern ihren Kindern vorspielen
Musik für kleine und größere Kinder
Welche Musik spielt man kleinen Kindern vor, wenn sie in der Nacht nicht schlafen können oder an herbstlichen Nachmittagen, wenn´s im Park schon zu kalt ist? - Eine Auswahl ganz privater Compilations, speziell für Kleinkinder und Eltern - fern jedweder Kaufhausmusik ...
8. April 2017, 21:58
Wolfgang Muthspiel: "With a little Help for my Friends"
Am Anfang stand die Bitte an Ö1 KollegInnen um "ein, zwei Musiktipps aus dem großen Kosmos der Musikgeschichte - für meine kleine, 14 Tage alte Tochter, die ich mit guter Musik versorgen möchte. Ich suchte "beruhigend-entspannend-erbauliche Musikstücke mit Wiegenlied-Eignung und "Musik, die man - selbst als sehr junger Mensch - unbedingt gehört haben sollte ...
Aus den zahlreichen Empfehlungen entstanden letztendlich drei "Privat-Compilations mit unterschiedlicher stil- und stimmungsmäßiger Ausrichtung (zwei für "den Tag, eine für "die Nacht), die in den letzten Monaten ausführlich getestet und allgemein für gut befunden wurden.
Hände weg von "Lullabies"
Erstaunlicherweise hat sich in den Plattengeschäften kaum etwas Passendes finden lassen. All die "Happy Baby- oder "Baby needs ... (Beethoven/Mozart/Bach etc.)-CDs, die "Lullabies aus aller Welt, die "Baby-Gute Nacht-Sampler - sie sind durchwegs von der Interpretation mittelmäßig, von der Instrumentation fallweise unerträglich und von der Werkauswahl eingeschränkt. Im Unterschied zu "normalen CDs erscheinen die meisten Produkte, trotz Beethoven und Bach, entindividualisiert, wie Kaufhausmusik für daheim.
Setzen Sie auf Qualität und Klassiker
Da das Beschallen von Kindern mit Musik natürlich auch eine Form der Prägung, der Erziehung ist, empfiehlt es sich, diese - auch zum eigenen Wohlbefinden - selbst in die Hand zu nehmen. Eine gute Musikauswahl ist dabei eine Investition für die Zukunft. Setzen Sie daher in erster Linie auf Qualität. Kleine Kinder können zwar kaum interpretatorische Unterschiede erkennen, hören aber (physiologisch) besser und (inhaltlich) ohne Vorurteil. Ihr Kind und Sie selbst sollten jedenfalls diese Musik im Lauf der Jahre immer noch gern hören können. Allgemein sollte dabei gelten: Musik, die ganz kleinen Kindern passt, ist größeren zumutbar, nicht jedoch umgekehrt.
Neben der Qualität gibt es ein zweites wichtiges Kriterium für die Auswahl: Es gibt Werke, die Jahrzehnte halten, weil sie mit dem eigenen Leben verknüpft sind und weil sie vom musikalischen Gehalt Zeit und Mode überdauern. Denken Sie auch an diese Art der Musik. Sie prägt eine Erinnerung und bestätigt den Wunsch, dass es Unvergängliches geben kann.
Musik "hören"
Programmieren Sie für die unterschiedlichen Zeiten des Tages. Zum Beispiel "Musik für die Stunde zwischen zwei und drei: Musik, die Ihnen hilft, Ihr (kolikgeplagtes) Kind zu beruhigen und in den Schlaf zu tragen; Musik, die Ihnen wichtig ist und das Kind nicht verschreckt oder es wieder aufweckt. Sie sitzen schließlich, um die anderen Familienmitglieder zu schonen, im Wohnzimmer, haben das Kind auf der Brust liegen und ... hören. Wenn es ruhig, dunkel und still ist, kann die Musik fein, zart und dauernd sein, und auch neu. Gerade in dieser Lebensphase können Sie Musik, die Ihnen noch nicht vertraut ist, besser kennen lernen.
Auswahl nach Geschmack und Interesse
Um Einförmigkeit zu vermeiden, empfiehlt sich eine gewisse dramaturgische Anordnung. Eine "Klassik-Nacht-Compilation kann sich beispielsweise von einem "mäßig bewegten Beginn durchaus mit symphonischer Fülle zu den stillen Klavierklängen eines "Piano Piece von Morton Feldman oder der Schluss-Arie der Goldberg-Variationen entwickeln.
Was zwischen "zwei und drei so alles "passen kann, ist erstaunlich: Auf Wolfgang Muthspiels Version des Lennon/McCartney-Songs "With a little help from my friends ... passt Beethovens "Zärtliche Liebe, gesungen von Fritz Wunderlich, begleitet von Hubert Giesen, und darauf das Larghetto aus Mozarts Klavier-Quartett, KV 493, mit den Herren Pichler, Kakuska und Erben vom Alban Berg Quartett und Alfred Brendel und danach vielleicht Billie Holidays Version von "Stormy Weather, begleitet vom Oscar Peterson Quintett, 1952 in NY u. s. w ...
Schlaf, Kindlein, schlaf ...
Musik mit klarer Melodieführung kann für all jene hilfreich sein, die mitsingen oder mitsummen wollen. Und das sollten Sie tun, weil es die für das Kind so wichtige Nähe herstellt. Freilich: "Es ist das Beste ... - und ich zitiere hier stellvertretend für viele befragte Kollegen Stephan Pokorny - "... egal wie falsch es auch sein mag, selbst etwas vorzusingen". Pokorny weiter:
"'Schlaf, Kindlein, schlaf ist die wunderbarste Melodie, die Du nur zu summen brauchst, um Dein Kind mit aller Geborgenheit zu versorgen, die es braucht. Was am Besten für die Kleinen ist, ist schwer zu sagen: so einfach wie möglich, so eingängig wie möglich. Am ehesten fiele mir Mozart ein: G-Dur Violinkonzert 2. Satz, Klarinettenkonzert 2. Satz (mit Alfred Prinz), Bach Präludium in C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier, Band 1 - oder bei Schubert gibt es eine Unzahl wunderbarer Melodien. Vielleicht sollte man sich aber bei Kinder-Ohren auf kleine Besetzungen beschränken ... Brahms 'Guten Abend, Gut Nacht brauch ich ja wohl nicht zu erwähnen ... auch das nicht: selber singen!.
Selber singen?
Wenn man es -wie ich - so gar nicht kann, helfen Zuspruch der Kollegen, klare Melodien und Lieder, bei denen man zumindest rezitativ mitsummen kann: John Lee Hooker und Van Morrison z. B. lassen bei ihren Sprechgesängen einladend Platz für einen Dritten (in: "The Healing Game).
Eine "Gute Nacht- oder "Schönen Guten Tag-Zusammenstellung, auf der sich Mozart, Klaus Trabitsch, Billie Holiday, The Holmes Brothers, Fritz Wunderlich, Pieter Wispelwey, Norah Jones, Morton Feldman, die Familie Stern, Aphex Twin und Franz Schubert treffen, persönlich und klar, und alle mit einem guten Platz in der zusammengestellten Abfolge - das ist auch eine äußerst wohltuende Lektion für Kind und Eltern: über den Nutzen und die Schönheit von Vielfalt.
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