"Ich bin ein nachrichtengieriger Mensch"
Erika Weinzierl, Historikerin
Radiohören ist eine der intimsten Arten, Kulturelles zu erleben. Die Porträts, die Lukas Beck seit März 2001 für das Ö1 Magazin „gehört“ fotografiert hat, zeigen wie unterschiedlich und zugleich individuell ein Programm aufgenommen werden kann.
27. April 2017, 15:40
Ich besitze in Wien vier Radioapparate, drei in meiner Wohnung, davon einen, den ich immer auf Reisen mitnehme, und einen hier im Institut, ein kleines, ganz ordentliches Radio, das fix auf Ö1 eingestellt ist. Ich höre immer das Mittags- und das Abendjournal. Besonders aufmerksam die Nachrichten und Interviews, die sind mir wichtig. Wenn ich die Leute sprechen höre, dann gewinne ich mehr Einblicke, als wenn ich bloß eine Meldung höre. Auch wenn ich davon ausgehe, dass sich die Interviewten nicht immer der Realität entsprechend äußern.
Musik im Radio höre ich - aus Zeitgründen - selten. Ich bin ein nachrichtengieriger Mensch. Ich denke, das gehört auch zu meinem Beruf. Ich glaube, Geschichte wird weit gehend von den Akteuren gemacht. Ich habe gedacht, dass wir Historiker, besonders wir Zeithistoriker, ein bisschen Einfluss haben, aber manchmal hab ich das Gefühl, vergeblich gearbeitet zu haben. Das ist ein pessimistischer Befund. Ich habe lange an die Aufklärung geglaubt. Einem Medium gestehe ich viel größere Wirksamkeit zu. Ich finde, dass Ö1 tatsächlich aufklärerische Wirkung hat.
Meine nachhaltigste Erinnerung, die ich mit Radio verbinde? Das ist eine ganz entsetzliche. Ich war noch ein Schulkind und ich habe es zu Hause gehört - die Übertragung der Rede von Goebbels "Wollt Ihr den totalen Krieg" und wie da dieses tausendfache schreckliche Ja-Gebrüll gekommen ist, das werde ich nie vergessen.