Adornos Kritik der Spaßkultur

Just for fun

Spaß erleben, genießen - diese Anleitungen sind überall anzutreffen: in der Werbung, in Unterhaltungsshows oder in Videoclips. Die Welt wird - im Sinne Arthur Schopenhauers - zur Guckkastenbühne, die hauptsächlich der Unterhaltung des Zuschauers dient.

Der Philosoph Theodor W. Adorno hatte ein äußerst gespanntes Verhältnis zur Spaßkultur. Für ihn, den Theoretiker des universellen Verblendungszusammenhanges, war die Spaßkultur "ein Stahlbad, das von der Vergnügungsindustrie unablässig verordnet wurde".

Adorno ging davon aus, dass die Kulturindustrie den Konsumenten ständig mit Angeboten versorgt, die ihm zwar Spaß machen, ihn aber gleichzeitig entmündigen.

Adorno als Misanthrop

Diese These Adornos findet jedoch im Zeitalter der Postmoderne wenig Anklang. Es gibt kaum Verständnis für ein Denken, das nach Peter Sloterdijk als "Geste des Sich- Verweigerns" mit einem permanenten Masochismus verbunden ist.

Der in Frankfurt am Main lehrende Literaturwissenschafter Michael Wetzel sieht in Adornos misanthropischer Haltung eine ungerechtfertigte Arroganz. Laut Wetzel reagierte Adorno auf die Spaßkultur mit dem "Gestus des Schimpfens".

Derrida als Joker

Dagegen stellt Wetzel die Haltung des französischen Philosophen Jacques Derrida, der vor kurzem verstarb. Derrida schätzte ironische und spielerische Elemente, die in der Spaßkultur häufig anzutreffen sind.

Das Verlachen jeglicher sakrosankter Werte, die im Namen einer Autorität verkündet werden, hat Derrida interessiert, weil "es das Phantasma der Totalität aushöhle".

Harald Schmidt und Diogenes

Der antike Philosoph Diogenes kann ebenfalls als Vertreter einer Spaßkultur angesehen werden kann. Freilich war dies eine bissige Spaßkultur, die - ausgestattet "mit einem lästerlich bösen Maul" - sich über die Mächtigen in der Politik oder in der Philosophie lustig machte. Josef Früchtl sieht den zeitgenössischen Diogenes in der Person des Fernsehsatirikers Harald Schmidt.

We want the world - NOW

Eine andere Form der Spaßkultur taucht in der Popkultur der 68er Jahre auf. Die musikalischen Outlaws wie Jim Morrison, Jimi Hendrix oder Janis Joplin riefen zum Protest gegen das rigide Establishment auf.

"We want the world - NOW "(Jim Morrison von den Doors) hieß: Wir wollen das Leben jetzt genießen, jetzt Spaß haben, ohne auf die Werte der spätkapitalistischen Gesellschaft Rücksicht zu nehmen.

Lachen

Zur Spaßkultur gehört das Lachen. Es ist eine anthropologische Grundkonstante des Menschen, die bereits in der Antike bei Aristophanes oder bei Diogenes auftaucht.

Lachen ist anarchisch; es entzieht sich - ähnlich wie die Spaßkultur - einer Systematisierung. "Geboren aus der Verneinung des Absoluten" - so der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz - "endet das Lachen in der absoluten Verneinung".

Subversives Lachen

Lachen kann auch subversiv sein; gegen die Herrschenden gerichtet. In der Spaßkultur des Dadaismus findet sich ein großes Gelächter angesichts einer Epoche, die sich nach dem ersten Weltkrieg den Anschein des Normalen gab. Michael Wetzel spricht von einem kritischen Lachen, "das im Halse stecken bleibt".

Qualitative Spaßkultur

Dieses kritisches Lachen aufzunehmen wäre die Aufgabe eines kritischen Kabaretts - so Michael Wetzel - das sich auch auf die Traditionen der Spaßkultur wie die Commedia dell´Arte oder das Straßentheater bezieht. Im deutschen Sprachraum findet sich solch ein Kabarett bei Lisl Karlstadt und Karl Valentin.

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Buch-Tipp
Günter Seubold/Patrick Baum(Herausgeber), "Wieviel Spaß verträgt die Kultur? Adornos Begriff der Kulturindustrie und die gegenwärtige Spaßgesellschaft", DenkMal Verlag, ISBN 3935404174