Änderungen, Kürzungen und Neukompositionen

Verdis zahlreiche "Don Carlos"-Fassungen

In Verdis Schaffen hat diese Oper eine Sonderstellung: Denn innerhalb von knapp 20 Jahren nahm der Komponist zahlreiche Veränderungen an dem Werk vor. In der Wiener Staatsoper ist nun erstmals weltweit die Urfassung zu erleben.

Giuseppe Verdis "Don Carlos", die vierte Oper Verdis nach Friedrich Schiller, nimmt im Schaffen des Komponisten eine Sonderstellung ein: Denn innerhalb von knapp 20 Jahren nahm Verdi bei diesem Werk zahlreiche Änderungen, Überarbeitungen, Kürzungen oder Neukompositionen vor.

So war die Fassung, die bei der ersten Generalprobe (24. Februar 1867) gespielt wurde, bereits um einiges kürzer als das davor einstudierte Original. Aber sie war nicht identisch mit jener Version, die dann am 11. März 1867 tatsächlich am "Théâtre de l´Opéra" uraufgeführt wurde.

Veränderungen nach der Uraufführung

Darüber hinaus wurde das Stück für die erste Folgevorstellung weiter verändert bzw. weitere Kürzungen vorgenommen. Diese Veränderungen entstanden aber nicht aus künstlerischen Motiven des Komponisten, sondern auf Betreiben der Theaterleitung, die der Urfassung eine Überlänge attestierte und überdies besetzungstechnische Gründe ins Treffen führte.

Adaptionen für Neapel, Mailand und Modena

Gröbere Eingriffe erfolgten dann 1872, als in Neapel eine italienisch-sprachige Aufführung einstudiert werden sollte. Sie betrafen allerdings "nur" einzelne Nummern, nicht aber das Gesamtkonzept.

Umso radikaler fiel dann aber die Umarbeitung 1884 aus. Diese, nach dem Ort der Erstaufführung als "Mailänder Fassung" bezeichnete Version unterscheidet sich durch den Wegfall des einleitenden Fontainebleau-Aktes und des - in Paris obligaten Balletts - sowie zahlreicher Umgruppierungen und Einfügungen erheblich von allen vorhergehenden Lösungen. Gemeinsam ist all diesen Versionen, dass Verdi sie entweder selbst erstellt oder zumindest akzeptiert hat.

Kein Erfolg in Frankreich

In Frankreich selbst konnte sich die Oper überhaupt nicht durchsetzen. Bei der Uraufführung waren einige der Sänger, die Tänzer sowie die szenische Umsetzung anerkannt worden. In der Beurteilung des Werkes war man sich nicht einig - neben anerkennenden gab es auch vernichtende Kommentare.

Zwar erlebte "Don Carlos" an der Pariser Opéra im Uraufführungs-Jahr insgesamt 43 Aufführungen, um dann aber erst 1963 (!) wieder in den Spielplan aufgenommen zu werden.

Wiener Erstaufführung erst 1902

In Wien dauerte es sogar 65 Jahre bis zur Erstaufführung des "Don Carlos" im Jahr 1902. Die Ursache dafür lag in diesem Fall bei Verdis Verlagshaus Ricordi, das die Bemühungen der Wiener Operndirektion, das Werk aufzuführen, bewusst im Sand verlaufen ließ.

Ab den 1920er Jahren erlebte das Werk schließlich eine stetige Steigerung in der Publikumsgunst.

Staatsopern-Produktion mit Urfassung

Im deutschsprachigen Raum war "Don Carlos" zeitweise nach "La forza del destino" die beliebteste Verdi-Oper überhaupt. Gespielt wurden zunächst diverse Misch-Fassungen, doch konnten sich schließlich zwei Versionen durchsetzen: die vieraktige Mailänder- und eine fünfaktige Mischfassung.

Mit der aktuellen Produktion der "Wiener Staatsoper" ist nun die französische Urfassung - also ohne die Änderungen während der Probenzeit 1867 - weltweit erstmals zu sehen.

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