Wird sich China selbst ernähren können?

Chinas Bauch

China ist derzeit das erfolgreichste Land der Erde. Die Wirtschaft wächst jährlich um acht Prozent und die Bevölkerungszahl wird bis zum Jahr 2030 auf 1,5 Milliarden Menschen ansteigen. Wird sich China dann noch selbst ernähren können?

China war mit der Zurückdrängung der Armut äußerst erfolgreich. Die Zahl der Menschen, die so arm sind, dass sie sich nicht ausreichend ernähren können, hat sich von 200 Millionen auf 25-30 Millionen verringert. Ein Erfolg, der noch immer eine Tragödie ist.

In der politischen Diskussion ist die Frage der Ernährungssicherheit heuer ein sehr wichtiges Thema geworden, denn in den letzten fünf Jahren ist die Produktion von Getreide, Sojabohnen und Kartoffeln um etwa zehn Prozent gesunken.

Die Regierung hat reagiert und die Umwidmung von Ackerland in Bauland erschwert. Weniger Getreide wurde mit mehr Hunger gleichgesetzt. Ein Schluss, der sehr nahe liegend scheint und der lange Zeit auf wissenschaftlicher Basis stand.

Weniger Getreide - mehr Hunger?

So fragte sich Lester Brown 1995 in einer weltweit beachteten Studie. "Wer wird China ernähren?". Lester Brown gilt als einer der einflussreichsten Denker, als Guru der Umweltbewegung. Bei seinem World Watch Institute ließ er die Alarmglocken läuten: wenn Chinas Bevölkerung im Jahr 2030 auf 1,5 Milliarden Menschen ansteigt - wer wird die Ernährung garantieren?

Streitpunkt: landwirtschaftliche Fläche

Diese Analyse von Lester Brown stellt Gerhard Heilig vom IIASA, dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg, in Frage. "Lester Brown hat sich im wesentlichen auf einen Aspekt kapriziert, nämlich die landwirtschaftliche Fläche, die für die Produktion von Nahrungsmitteln zur Verfügung steht", sagt Heilig.

Es stimme zwar, dass durch die Ausbreitung der Städte enorme Ackerbauflächen verloren gehen. Viel entscheidender sei allerdings, was die Bauern für ihr Getreide bekommen. Die Getreidepreise seien in den vergangenen fünf Jahren um rund zehn Prozent gesunken. Die Bauern könnten wesentlich mehr verdienen, wenn sie Fleisch produzieren würden.

Alle Ressourcen müssen berücksichtigt werden

Das werde auch in Zukunft so sein, da mit der Urbanisierung der Fleischbedarf wächst. Der Soziologe Gerhard Heilig vom IIASA sammelte für das CD-ROM-Projekt "China FOOD" fünf Jahre lang umfassendes Datenmaterial über die regionale Entwicklung, im Rahmen des "Land Use Change Programs".

In diesem und im Folgeprojekt "RAPS - dem regionalen Analyse und Planungssystem für China" - fließen nicht nur die verfügbaren Daten über Böden oder Wasser ein. Wirtschaftliche Entwicklung, menschliche Ressourcen, Bildungslevel, Infrastruktur oder Verwaltung bestimmen die Entwicklung mindestens ebenso mit.

Grundnahrungsversorgung ist nicht das Problem

Günther Fischer vom IIASA hat gemeinsam mit drei chinesischen Forschungspartnern die landwirtschaftliche Entwicklung über die nächsten 25 Jahre berechnet. Da der pro Kopf-Verbrauch von Weizen und Reis bereits stagniert und in den reicheren Gebieten im Osten Chinas abnimmt, erwartet Günther Fischer keine Erhöhung der Gesamtnachfrage dieser Produkte.

"Was die Grundnahrungsversorgung von Weizen und Reis betrifft, besteht keinerlei Gefahr, dass China in irgendwelche Abhängigkeiten gerät. Wenn der Fleischkonsum wie prognostiziert zunimmt, könnte allerdings die Versorgung mit Futtermitteln größere Importe erfordern", so Fischer. "Über die nächsten 30 Jahre wird China rund 40 bis 50 Millionen Tonnen Futtergetreide importieren müssen. Das ist für den Weltmarkt durchaus verkraftbar".

Lester Brown hatte noch vorausgesagt, dass China die Preise für Weizen auf dem Weltmarkt hinaufjagen wird. Dem ist nun offensichtlich doch nicht so. Ein Glück für Afrika. Denn Afrika hätte sich das teurere Getreide nicht mehr leisten können.

Download-Tipp
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Link
RAPS - regionales Analyse und Planungssystem für China