Gerasterte akustische Realität
Wirklichkeit in die Kunst einlassen
Sprechende Klaviere und Sprechstimmen, denen das Klavier zum Singen verhilft: Im Zentrum dieser "Zeit-Ton"-Ausgabe zum Thema "Übertragung - transfer/ence", steht Peter Ablinger, Jahrgang 1959. Seine Musik ist beim diesjährigen Grazer "musikprotokoll" live zu hören.
8. April 2017, 21:58
In dieser "Zeit-Ton"-Ausgabe zum Thema "Übertragung - transfer/ence" des diesjährigen "musikprotokolls im steirischen herbst" steht der Komponist Peter Ablinger, Jahrgang 1959, der Sprache auf Klavier, und Wirklichkeit in Musik überträgt, im Mittelpunkt. Seine Musik ist beim diesjährigen "musikprotokoll" auch live zu hören.
Das Geheimnis des aus Schwanenstadt gebürtigen Komponisten heißt Rasterung, denn man kann auch Frequenzen wie Bildelemente behandeln, Klänge quasi in verschieden große Pixel übertragen, um es in einer Metapher aus der Technikwelt auszudrücken. Und dann entsteht aus der akustischen Wirklichkeit eine gerasterte akustische Wirklichkeit, also Information in bestimmten Einheiten.
Peter Ablingers Ästhetik
Diese wiederum lässt sich auf die ebenfalls gerasterte Wirklichkeit, nämlich in Halbtonschritte gerasterte Wirklichkeit eines Klaviers, übertragen. So ist also das Verhältnis zwischen der Originalstimme Mao-Tse Tungs und seiner Klavierbegleitung wie in Peter Ablingers Zyklus "Voices and Piano".
Aus Sprache durch bestimmte Verfahren Tonfolgen zu generieren, überhaupt: aus aufgenommener Wirklichkeit Tonmaterial für Instrumente abzuleiten, oder noch allgemeiner gesagt, Wirklichkeit in Kunst zu übertragen, Kunst und Wirklichkeit in ein neues Verhältnis zueinander zu setzen: Das alles sind mögliche Schlagwörter zu einer Annäherung an Peter Ablingers Ästhetik.
Aktuelles "musikprotokoll"-Projekt
Die Wirklichkeit in die Kunst zu lassen - dieses Projekt setzt Peter Ablinger ab Donnerstag dieser Woche beim "musikprotokoll" auf neue und radikale Weise um:
Mikrophone nehmen auf, was sich vor den Fenstern des Medienkunstlabors im Grazer "Kunsthaus" ereignet und liefern die Information - gerastert - an ein computergesteuertes Pianino. Also ein traditionelles Klavier, versehen mit einer Art Aufsatz mit vielen kleinen hydraulischen Mechanismen, die alle Tasten des Klaviers computergesteuert auf das Nuancierteste bewegen können. Das technische "Wunderding" kommt aus der Werkstatt von Winfried Ritsch vom Institut für Elektronische Musik in Graz.
"Guten Abend bei der Zeit im Bild"
Was sich hier nun zusammenbraut, ist noch nicht die Straßenbahnwirklichkeit aus Graz, sondern eine Fernseh-Wirklichkeit:
Bald wird man vernehmen, zuerst in Ansätzen, später ein wenig deutlicher, dass die abgebildete Wirklichkeit dieses Stückes für automatisches, computergesteuertes Klavier österreichische TV-Nachrichten sind. Und deswegen heißt dieses Stück "Guten Abend bei der Zeit im Bild".
"Voices and Piano" live
Peter Ablingers Zyklus "Voices and Piano" ist am kommenden Freitag im Grazer "Dom im Berg" mit dem Pianisten Nicolas Hodges im Rahmen des "musikprotokolls im steirischen herbst" live zu erleben. Dabei werden die u. a. die Stimmen von Marcel Duchamp, Pier Paolo Pasolini, Heimito von Doderer, Bertolt Brecht, Gertrude Stein und Mao Tse-Tung zu hören sein.