Phantastisches mit Kindern

Fabulierer aus Italien

Ein Großvater, der beschließt, als Kater weiterzuleben, ein Fahrstuhl, der bis zum Andromedanebel saust, eine Verkehrsampel, die nur blau zeigt... Das sind die Geschichten, die Gianni Rodari bekannt gemacht haben. 1970 wurde er dafür mit dem Andersen-Preis ausgezeichnet.

Die italienischen Kinder kennen Gianni Rodari alle - und auch die deutschen Kinder haben viele seiner Geschichten kennen gelernt: Die Leute von der "Sendung mit der Maus" haben eine ganze Menge "Rodaris" in Bilder verwandelt, und dann selber Geschichten in seinem Stil erfunden.

Das ist durchaus in Rodaris Sinn. Immer wieder hat er Artikel veröffentlicht, in denen er Anleitungen aus seiner Fabulier-Werkstatt weitergibt, "um die Leser anzuregen, selbst Gute-Nacht-Geschichten zu erfinden", und hat diese Anleitungen dann in einer "Grammatik der Phantasie" zusammengefasst.

Miserabler Lehrer, aber guter Geschichtenerzähler

Wie er selbst dazu kam, Kindergeschichten zu schreiben? Im Winter 1937/38 lebte er bei einer Familie deutscher Juden, die am Lago Maggiore kurzfristig Zuflucht gefunden hatten. Sie hatten ihn als Italienischlehrer für ihre Kinder engagiert. "Ich muss ein miserabler Lehrer gewesen sein", erinnert er sich im Jahr 1973, denn er hat die Kinder mit allem Möglichen vollgestopft, ohne jeden Lehrplan.

"Möglicherweise war ich jedoch kein langweiliger Lehrer. Ich erzählte den Kindern Geschichten, teils aus Sympathie, teils aus Lust am Spiel, Geschichten, die nicht das Geringste mit der Wirklichkeit und dem gesunden Menschenverstand zu tun hatten - die ich mir mit Hilfe von André Bretons Techniken ausdachte."

Krieg, Resistenza, politische Arbeit, Journalismus ließen ihn beinahe das Fabulieren vergessen, doch dann, fast durch einen Zufall, war sie wieder da, die "Phantastik", und wurde ihm zur Leidenschaft, zum Gegengewicht zur rauen Wirklichkeit.

Magische Geschichten

Übrigens dürfte die italienische Wirklichkeit sehr rau gewesen sein, gemessen an den wunderbaren Fabulierern, die in den letzten 40 Jahren ihre versponnenen, märchenhaften, phantasievollen, magischen Geschichten aufgeschrieben hatten. Italo Calvino ist zu nennen, Luigi Malerba oder Alessandro Baricco. Sie haben ihren Weg längst in deutschsprachige Leserherzen gefunden.

Aber da ist auch noch zum Beispiel Ermanno Cavazzoni. Kalendergeschichten nennt er seine absurden Geschichten über skurrile Menschen, etwa die des italienischen Familienvaters, der aus irgendeinem Grund davon überzeugt ist, dass die Gemeinde eine Albaner-Familie bei ihm einquartiert hat, nämlich Mutter und Sohn, während seine Frau und sein Sohn davon überzeugt sind, dass ihr Familienoberhaupt zum Albaner geworden ist - nachzulesen im "Kurze Lebensläufe der Idioten".

Bennis Traumkulisse

Oder Stefano Benni. "Terra!", ein Science-Fiction-Roman in der Art von Douglas Adams, war monatelang auf der Bestsellerliste - nicht nur in Italien. Auch er ein Meister des absurden Fabulierens. Von ihm stammt zum Beispiel die Geschichte vom Werbefachmann, der per Zufall ein märchenhaft schönes Tal entdeckt und es aufkauft, um in dieser Traumkulisse die nächsten Werbespots zu drehen - nach gründlicher Umgestaltung des Tals, versteht sich! Nachzulesen in "Es gibt keine schlechten Menschen, sagte der Bär, wenn sie gut zubereitet sind".

Buch-Tipps
Gianni Rodari, "Grammatik der Phantasie", Reclam Verlag, ISBN: 3379016489

Gianni Rodari, "Seltsames um den Turm von Pisa", dtv, ISBN: 3423094389

Ermanno Cavazzoni, "Kurze Lebensläufe der Idioten", Wagenbach Verlag, ISBN: 3803123143

Stefano Benni, "Es gibt keine schlechten Menschen, sagte der Bär, wenn sie gut zubereitet sind", Lübbe, ISBN: 3404920228

Stefano Benni, "Terra", Piper Verlag, ISBN: 3492108482

Hörbuch-Tipp
Gianni Rodari, "Das fabelhafte Telefon", Wagenbach Verlag, ISBN 380314065

Link
Gianni Rodari