Der Griff des Kreml nach dem Ölhahn

Die Yukos-Krise

Während der Ölriese Yukos in den letzten Zügen liegt, plant der russische Staat eine Auffanggesellschaft: Aus dem halbstaatlichen Gaskonzern Gazprom und dem staatlichen Ölkonzern Rosneft soll wieder ein staatlicher Energiegigant aus dem Boden gestampft werden.

Wirtschaftsexperte Michail Zak zur Yukos-Krise

Der russische Ölriese Yukos steht vor dem Aus. Das Moskauer Justizministerium gab bekannt, dass Teile der wichtigsten Produktionstocher Yuganskneftegaz verkauft würden, weil Yukos seine Steuerschulden nicht begleichen könne. Anstelle des Ölgiganten plant der russische Staat eine Auffanggesellschaft, die Yukos durchaus würdig sein soll.

Zusammenschluss Gazprom - Rosneft

Aus dem halbstaatlichen Gaskonzern Gazprom und dem staatlichen Ölkonzern Rosneft soll durch Aktientausch wieder ein staatlicher Energiegigant entstehen, bei dem Russland zwar die Mehrheit behalten will, die ansonsten aber frei handelbaren Papiere sollen die Fantasie der Investment-Banker beflügeln. Einziger Schönheitsfehler derzeit: Der schlecht geführte Ölkonzern Rosneft ist ein zu schwacher Partner.

Dies aber ließe sich ändern: Die Filetstücke von Yukos könnten nach und nach von Gaspromneft übernommen werden. Die Folge all dieser Überlegungen: Der russische Staat würde wieder 20 Prozent des Ölmarktes kontrollieren, und denen, die schon den Ausverkauf der Ressourcen fürchteten, wäre sicher etwas leichter. Aber nicht alle finden diese Entwicklung gut ...

Neuer Staatskapitalismus?

Der russische Wirtschaftsexperte Alexander Auzan sieht in dem Zusammenschluss von Rosneft und Gazprom eine rein politische Entscheidung und ein Vorzeichen für einen neuen Staatskapitalismus:

"Und zwar in einem Ausmaß, wie wir uns das vor zwei Jahren noch nicht vorstellen konnten. Wenn wir uns allerdings die Effektivität von Rosneft und Gazprom ansehen und mit Yukos vergleichen, dann ist die Effektivität von Gazprom viel niedriger: schlechtes Management, undurchsichtige Strukturen, eigenartige Querfinanzierungen. Daher wird das Unternehmen auch am Markt wesentlich schwächer sein.“

Die Kreml-Spekulationen

Für Präsident Putin aber zählt, wie das Verhalten Yukos gegenüber gezeigt hat, nicht in erster Linie Effektivität, sondern Loyalität gegenüber dem Staat. Mit dem neuen Energiekonzern sollte das gelingen. Die jüngsten Kooperationsversuche zeigen, wie sich der Kreml das vorstellt: Die französische Total steigt mit 25 Prozent bei dem unabhängigen russischen Gasproduzenten Novatek ein, und der drittgrößte amerikanische Energiekonzern Conocon Phillips engagiert sich bei seinem russischen Konkurrenten Lukoil. Und all das ist möglich, weil bei Lukoil wie bei Novatek die Mehrheit fest in russischer Hand bleibt und beide Gesellschaften das machen, was ihnen der Kreml nahe legt.

An Putins Kandare

Die politische Perspektive ist jedenfalls klar: Der Ölsektor, Mitte der 90er Jahre von Jelzin zum Spielfeld privaten Unternehmertums erkoren, soll wieder stärker an die Kandare genommen werden: Die fünf großen Ölkonzerne Yukos, Lukoil, Tjuman Oil, Surgutneftegaz und Sibneft sollen wieder zur Disziplin gezwungen werden. Was umso leichter geht, als der Staat die Ölindustrie zwar weitgehend privatisiert, das Transportnetz aber dem Staatsmonopolisten Transneft vorbehalten hat.

Ob nun Yukos nach und nach an seine Konkurrenten verteilt wird oder ob das Vorzeigeunternehmen von einem neuen staatlichen Energiekonzern namens Gaspromneft übernommen wird - Präsident Putin hat dem privaten Ölsektor jedenfalls klar gemacht, dass er Einzelgänger mit allen Mitteln bekämpfen wird.

Regierung zu sorglos?

Die Tatsache, dass Russland der größte Erdgasproduzent der Welt ist und nach Saudi-Arabien auch der zweitgrößte Ölproduzent, macht die russische Wirtschaft aber auch vom Rohstoffsektor extrem abhängig. Die Weltbank hat Berechnungen angestellt, wonach die Erdöl- und Erdgasproduktion ungefähr ein Viertel des Bruttosozialproduktes ausmacht. Beide Energieträger machen etwa 60 Prozent des russischen Exports aus. Diese Abhängigkeit scheint aber niemand zu stören, zumal es seit der Währungskrise 1998 dank des steigenden Ölpreises ständig bergauf geht. Also Glück und Prosperität? "Nein", sagt Wirtschaftswissenschafter Alexander Auzan:

"Die Frage, ob die Mittel aus dem Ölgeschäft von der Regierung effektiv eingesetzt werden, ist nur schwer zu beantworten. Richtig war sicher, einen Stabilitätsfonds einzurichten und hier Reserven anzulegen. Wenn man sich aber die Effektivität der staatlichen Maßnahmen ansieht, so sind sie sehr niedrig. Vor zwei Jahren wurde begonnen, über verschiedene Formen der Modernisierung zu diskutieren. Aber bis heute sind keine Investitionen von einiger Bedeutung erfolgt.“

Die OMV und Österreichs Abhängigkeit

Auch für Österreich gehört Russland zu den wichtigsten Erdöl- und Erdgaslieferanten. 5000 Kilometer lang ist die Erdgas-Pipeline von Westsibirien über die Ukraine und die Slowakei bis nach Baumgarten an der österreichischen Grenze. Von den 38 Milliarden Kubikmetern Erdgas, die da durchgepumpt werden, bleiben sechs Milliarden in Österreich, das sind drei Viertel des österreichischen Verbrauchs. Der überwiegende Teil wird nach Deutschland, Italien, Frankreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn weitergeliefert. An dem Transit verdient die OMV.

Was die Ölimporte betrifft, ist die OMV wesentlich flexibler. Russland war mit 2,2 Millionen Tonnen im Vorjahr unser zweitwichtigster Lieferant nach Libyen. Die russischen Ölimporte laufen über das Schwarze Meer und das Mittelmeer bis zum Ölhafen Monfalcone bei Triest. Von dort fließt das Öl durch die Adria-Wien Pipeline zur Raffinerie Schwechat. Um diesen langen Weg abzukürzen, wird 2006 zwischen Bratislava und Schwechat eine neue Pipeline in Betrieb gehen. Bis Bratislava gibt es schon eine Ölleitung aus Russland. Durch diese Pipeline sollen zwei Millionen Tonnen Öl pro Jahr geliefert werden. Ein Liefervertrag über zehn Jahre wurde mit dem Yukos-Konzern abgeschlossen.

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