Ist die literarische Vielfalt im Orient bedroht?

Die Wege der verbotenen Bücher

Literatur aus der arabischen Welt ist der heuer Schwerpunkt bei der Frankfurter Buchmesse. Doch wie steht es um die Freiheit der Schriftsteller in Staaten, die immer noch Zensur ausüben? Und was passiert mit Büchern, die auf dem Index stehen?

Expertenmeinungen zum Thema Literaturzensur im Orient

Bücherstände aus Syrien, Kuwait, Ägypten oder Saudi-Arabien präsentieren ihre besten Werke bei der 56. Frankfurter Buchmesse. Mit ihnen wollen sie dem internationalen Publikum ein Bild von der Vielfalt der arabischen Literaturlandschaft vermitteln. Doch was ist dran an diesem Bild? Rafik Schami ist einer der Autoren dieser Welt. Seine Bücher sind in 18 Sprachen übersetzt, doch in seine Heimat Syrien können seine märchenhaften Erzählungen nur geschmuggelt werden.

Heimliche literarische Rückkehr

In Rafik Schamis Roman "Der geheime Bericht über den Dichter Goethe" bringt der Protagonist einen Klassiker aus Europa mit in die arabische Welt: Johann Wolfgang von Goethe. Von "Werther" bis "Faust", acht Nächte lang stellt der junge Mann seinem wissbegierigen Herrscher die Geschichten des deutschen Dichters vor und liest aus seinen Werken. Geschichten in der Geschichte - immer wieder erinnert Schamis Kinderbuch an "1001 Nacht". Fünf Jahre ist der Roman in Deutschland bereits auf dem Markt, sechs Auflagen gab es schon von dem Kinderbuch - es wurde ins Spanische, Englische und Französische übersetzt. Aber erst jetzt konnte sich der deutsch-syrische Autor dazu entscheiden, sein Werk auch ins Arabische übersetzen zu lassen.

Es war jedoch nicht nur die Solidarität mit inhaftierten Autoren, die Schami bisher davon abgehalten hat, seine Bücher in seiner Muttersprache zu veröffentlichen. Seit mehr als dreißig Jahren lebt der syrische Schriftsteller inzwischen im Exil in Deutschland - seine arabische Heimat hat er nicht vergessen, aber auch nicht die Probleme der Schriftsteller dort. Als er noch selbst in Syrien lebte, musste er am eigenen Leibe erfahren, wie begrenzt die Möglichkeiten von Autoren im Orient sind. Denn ob Syrien, Saudi-Arabien oder Ägypten - in fast allen arabischen Ländern werden Bücher aufs Schärfste zensiert.

Vorbei an der Zensur will Schami durch die Hintertür - zumindest literarisch - in die arabische Welt zurückkehren. Er freut sich, dass die Leser seiner ehemaligen Heimat ihn durch sein Kinderbuch "Der geheime Bericht über den Dichter Goethe" endlich kennen lernen werden.

Kritik unerwünscht

Dass in arabischen Regimen viel und laut über Freiheit, Demokratie gesprochen aber das Gegenteil praktiziert wird, bekommt der saudi-arabische Schriftsteller Turki Al-Hamad tagtäglich zu spüren. Er lebt und arbeitet in Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens. Die autoritäre Monarchie des Landes duldet keinerlei Kritik am Staat oder der Religion. Und das betrifft nicht nur Sachbücher. Auch Roman-Autoren wie Al-Hamad müssen jeden ihrer Sätze zweimal umdrehen. Denn schon wenn er sich nur kritisch anhört, könnte das ganze Buch verboten werden. Dass die meisten Schriftsteller da lieber auf Nummer sicher gehen, hält Al-Hamad nur für verständlich. Und doch sind ihm die Folgen bewusst: Die kulturelle Vielfalt ist in Saudi-Arabien nahezu ausgestorben - als saudischer Schriftsteller kann man dagegen kaum etwas tun.

In seinem Roman "Adama" beschreibt Al-Hamad die Geschichte von dem Jungen Hischam, der in den frühen 70ern, der Zeit vor dem Ölboom, in Saudi-Arabien aufwächst und schließlich in die Politik einsteigt. Ein junger Mann, der sich mit Sexualität, Gesellschaft und politischen Standpunkten beschäftigt und dabei immer wieder auf Schattenseiten der autoritären Staatsführung stößt. Für die arabischen Zensoren war die Geschichte von Hischam ein Skandal. Es dauerte nicht lange, und Al-Hamads Buch wurde in Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrein und Katar verboten.

Mehr zur Literatur des arabischen Raums in oe1.ORF.at

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