Die Kaffeebauern Nicaraguas
Das Geschäft mit der Kaffeebohne
Während der Ölpreis derzeit in neue Rekordhöhen klettert, sinkt der Rohstoffpreis für Kaffee seit Jahren. Leidtragende sind die Kaffeebauern in der Dritten Welt, wie z. B. in Nicaragua. Sie haben zu Tausenden ihr Land verlassen, weil sich der Anbau nicht mehr auszahlt.
8. April 2017, 21:58
Interview mit Stefan Lechner, Fair Trade Österreich
Kaffee ist nach Erdöl das zweitwichtigste Handelsgut der Welt. Doch während der Ölpreis derzeit in neue Rekordhöhen klettert, sinkt der Rohstoffpreis für Kaffee seit Jahren. Das hat fatale Folgen für die Kaffeebauern in der Dritten Welt, wie zum Beispiel in Nicaragua.
Landflucht und Hungermärsche
Tausende Kleinbauern haben ihr Land verlassen, weil sich der Anbau nicht mehr auszahlt. Arbeitslose Kaffeepflücker haben Hungermärsche veranstaltet. Die gesamte nicaraguanische Volkswirtschaft leidet unter dem Verfall der Preise für ihr wichtigstes Exportgut.
Ein Beispiel: 1997 hat ein US-Pfund Rohkaffee (0,45kg Arabica) am Weltmarkt 210 US-Cent gekostet. Heute bekommen die Bauern dafür 75 Cent ...
Kaffeebauern-Genossenschaften
In Nicaragua gibt es aber Initiativen, die den niedrigen Weltmarktpreis nicht einfach so hinnehmen wollen. Schon in den 80er Jahren, zu Zeiten der Sandinisten, haben sich nicaraguanische Kleinbauern zu Genossenschaften zusammengeschlossen. Heute setzen viele dieser Kooperativen auf den fairen Handel. Sie produzieren Kaffee, der in Europa und Nordamerika mit dem Fair-Trade-Gütesiegel verkauft wird. Das heißt zum einen, dass er bei uns im Supermarkt teurer ist, zum anderen bleibt mehr Geld für die Produzenten übrig.
Fairer Handel
Die wichtigsten Prinzipien von Fair Trade: Die Bauern bekommen einen fixen Mindestpreis für ihren Kaffee, der weit über dem Weltmarktpreis liegt. Derzeit sind es 121 US-Cent pro 0,45 Kilo. Dazu gibt es Prämien für Bio-Anbau und für soziale Projekte. Damit wird u. a. der Bau von Schulen, von Trinkwasserleitungen oder neuer Wohnhäuser unterstützt. Der Vertreter der Kaffeebauern-Genossenschaft Cecocafen, Augusto Espinoza, erklärt:
"Die Generalversammlung der Kooperative entscheidet jedes Jahr, wofür die Sozialprämie verwendet wird. In einem Jahr bauen wir zum Beispiel neue Straßen und Brücken, um den Transport aus den entlegenen Dörfern zu erleichtern. Ein anderes Mal investieren wir in Stromanschlüsse und Trinkwasserleitungen. Jedes Jahr geben wir Geld aus, um den Kindern der Bauern den Schulbesuch zu ermöglichen. Und wir bezahlen Ärzte, damit sie die Menschen in den Dörfern besuchen und behandeln. Ohne die Fair-Trade-Prämie wäre all das nicht möglich."
Kontrolle durch Dachorganisation
Fair Trade achtet weiters darauf, dass bei der Produktion soziale Standards eingehalten werden. Ausbeuterische Kinderarbeit ist verboten. Den Arbeitern auf den Kaffeeplantagen muss zumindest der gesetzliche Mindestlohn bezahlt werden. Bei uns selbstverständliche internationale Arbeitsbestimmungen müssen gewährleistet sein, wie etwa das Recht auf Pausen und das Recht, Gewerkschaften zu bilden. Zudem wird auf umweltgerechte Anbaumethoden geachtet - ein Fair-Trade-Gütesiegel bedeutet jedoch noch nicht automatisch, dass das Produkt aus biologischem Anbau stammt. Kontrolliert wird die Einhaltung dieser Kriterien von der internationalen Dachorganisation FLO. Der Marketing-Verantwortliche von Fair-Trade-Österreich, Stefan Lechner, betont:
"Wir können mit unseren Kontrollen garantieren, dass keiner unserer Partner irgendwo 'normale' Ware zukauft und dann unter dem Label Fair Trade weiterverkauft. Die internationale Dachorganisation FLO hat Einsicht in die Bücher jedes Fair-Trade-Lieferanten. Mindestens einmal im Jahr kommt ein Kontrolleur direkt in die Kooperative oder auf die Plantage und überprüft sämtliche Warenflüsse. Schon bei der Aufnahme ins Fair-Trade-System wird jeder Produzent genau unter die Lupe genommen. Die Zertifizierung dauert oft Jahre."
2.000 Kaffeebauern
In Nicaragua gehört die Genossenschaft der Kaffeebauern "Cecocafen" schon seit Jahren zu den Fair-Trade-Erzeugern. "Cecocafen" vermarktet den Kaffee von 2.000 Kleinbauern aus der Region Matagalpa. Insgesamt exportiert die Kooperative jährlich 42.000 Säcke Kaffee à 60 Kilo. Etwa 30 Prozent des Kaffees wird bereits biologisch angebaut. Nach Österreich gelangt der Kaffee unter anderem unter dem Markennamen "EZA Nica". Die Nachfrage nach Bio-Fair-Trade-Kaffee wächst ständig. Und so kommt es, dass die Kleinbauern-Genossenschaft auch Anklang bei der neoliberalen Regierung in Nicaragua findet. Der Vertreter des österreichischen Entwicklungshilfe-Büros in Managua, Yader Baldizon, erklärt dazu:
"Für mich ist 'Cecocafen' die beste Genossenschaft von ganz Nicaragua. Sie hat bewiesen, dass auch Kleinbauern besser leben können. Dadurch hat die Regierung gesehen, dass es mit guter Qualität möglich ist, höhere Preise zu erzielen. Jetzt setzt die ganze Kaffeewirtschaft ebenfalls auf Qualitäts-Kaffee, auf Bio- und Spezialitäten-Kaffee, weil das mehr Geld bringt als der normale Kaffee am Weltmarkt."
Nische mit Zukunft
95 Prozent der nicaraguanischen Bauern produzieren aber weiterhin zu den schlechteren Bedingungen des Weltmarktes. Die Nachfrage nach Fair Trade ist noch zu gering. So wie in den meisten Industrieländern ist Fair-Trade-Kaffee in Österreich ein Nischenprodukt. Der Marktanteil beträgt etwa zwei Prozent. Die Tendenz ist aber steigend.
Marktführer Billa nimmt in diesen Tagen erstmals Fair-Trade-Kaffee und Fair-Trade-Orangensaft in seine Regale auf. Bei der Nummer 2 im österreichischen Lebensmittelhandel, bei Spar, gehören fair gehandelte Produkte schon länger zum Sortiment. Der Spar-Kaffee-Einkäufer Roland Bretz erläutert:
"Wir haben steigende Umsätze mit Fair-Trade-Kaffee, und das ist besonders interessant, weil der Gesamt-Kaffeemarkt stagniert. Uns ist es wichtig, auch diese Nische zu besetzen, die unserer Ansicht nach Potential hat. Ein Marktanteil von vier Prozent ist möglich. Und das wäre immerhin eine Verdoppelung."
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Links
Fair Trade ÖsterreichFLO - Fairtrade Labelling Organizations
Make Trade Fair - Kampagne der NGO Oxfam
CIR - Christliche Initiative Romero e. V.
Kaffee- und Tee-Verband - öst. Site
ICO - International Coffee Organization
ARGE Weltläden - Dachorganisation der 78 Weltläden Österreichs
EZA3WELT - Importorganisation für Fairen Handel
Max Havelaar Stiftung - Schweizer Fairtrade