Der Theologe Walter Kirchschläger

"Jetzt lasst mal Luft in die Kirche!"

Sein Vater war österreichischer Bundespräsident und wollte "saure Wiesen trockenlegen". Der Sohn ist Theologe geworden: Walter Kirchschläger ist Fachmann für Bibelauslegung. Im Interview spricht er u. a. über seinen berühmten Vater und über sein Verhältnis zur Kirche.

Walter Kirchschläger über seinen berühmten Vater

"Die Bibel kann auch heute noch Menschen bewegen", sagt Walter Kirchschläger, der sich im Gegensatz zu seinem berühmten Vater Rudolf als Bibelfachmann einen Namen gemacht hat.

Der Auslandsösterreicher

Mürzsteg bei Mürzzuschlag in der Obersteiermark hat einen regelmäßigen, prominenten Gast: Walter Kirchschläger, Sohn des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten. Vor vielen Jahren hat er sich hier ein altes Holzhaus gekauft, das mittlerweile renoviert ist. In seinem Urlaub spielt der 57-Jährige hier mit seiner Frau Backgammon und hört Walzermusik. Der Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern beschäftigt sich vor allem mit Fragen der aktuellen Theologie.

Faszination Liturgie

Walter Kirchschläger hat eine Leidenschaft für liturgische Fragen entwickelt. Er unterlag schon als Kind der Faszination liturgischer Handlungen. Schon sehr früh sei für ihn das Geheimnisvolle des Gottesdienstes, die Zelebration an sich etwas gewesen, was den späteren Theologen interessieren sollte. Was ihn heute auch nachdenklich macht, ist, wenn etwa im ökumenischen Bereich manche Entwicklungen seiner Ansicht nach zu weit gehen.

Der Bibelfachmann

Der heute 57-jährige Theologe ist Buchautor, Vortragender und als solcher immer wieder mit kirchlichen Fragen konfrontiert. Die fundamentalistische Art und Weise, die Bibel zu lesen, kennt er aus seinen Aufenthalten in den USA, wo er auch als Jugendlicher bei einer gläubigen protestantischen Familie untergebracht war.

Man müsse sich anders mit der Heiligen Schrift beschäftigen. Auch Teile, sogar Würdenträger der römisch-katholischen Kirche würden zuweilen nur allzu leicht mit Interpretationen der Bibel umgehen. Dabei spart Kirchschläger auch nicht mit Kritik am neuen vatikanischen Weltkatechismus. Auch Bischofsworte können biblische Grundlagen anders interpretieren. "Steinbruchexegese“ nennt er das.

Der Rat von Kardinal König

Als für ihn klar war, dass er nicht Priester werden wollte, bekam er von Kardinal Franz König den Rat, dennoch Theologie zu studieren. König sagte ihm damals, das war 1970, man würde eines Tages Laien mit theologischer Kompetenz brauchen. Kirchschläger wird Sekretär von Kardinal Franz König und bleibt es drei Jahre lang. Er ist der erste Laie in einer solchen Position. Heute, viele Jahre später, macht er sich ein eigenes Bild von Gott. Es ist ein liebender Gott, ein Gott als Vater. Kein strafender Gott.

Über das Konzil

Das Zweite Vatikanische Konzil in der ersten Hälfte der 60er Jahre prägte Walter Kirchschläger. Das Rad der Zeit zurückzudrehen, sei eine völlig falsche Entwicklung - auch wenn das in sehr hohen kirchlichen Kreisen immer wieder versucht werde.

Wie wird es mit dieser Kirche weiter gehen? Wird ein neuer Papst einen anderen Weg einschlagen, der vom bisherigen stark abweichen wird? Prognosen hat Walter Kirchschläger keine - aber Hoffnungen.

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