Karl Ferdinand Kratzl über die Hörigkeit

"Aus dem Untergrund"

Nach vier Jahren taucht Karl Ferdinand Kratzl wieder auf einer Kleinbühne auf. Diesmals als Tanzbär, der nach seiner eigenen Pfeife tanzt. Als kleine Fingerübung hat er sich die Erlösung der Menschheit vorgenommen und treibt als Bauchredner Gottes sein teuflisches Spiel.

Ausschnitt aus Kratzls neuem Programm

Nach vier Jahren Absenz kehrte Karl Ferdinand Kratzl wieder auf die Kabarettbühne zurück. In seinem neuen Programm "Aus dem Untergrund" tritt er diesmal als Tanzbär in Erscheinung, der nach seiner eigenen Pfeife tanzt. Der Wiener unterscheidet dabei drei Formen der Kleinkunst: Bären fesseln, Bären entfesseln und Bären aufbinden. Ursula Burkert hat ihn dazu befragt.

Seine Beziehung zu Engeln und gefallenen Engeln

Ich habe zu Engeln keine persönliche Beziehung. Manchmal denke ich mir im privaten Bereich: "Mei, so ein Engel! Oje! Die Arme!" Meistens sind es doch Damen, denen man das Engelhafte zuspricht; die opfern sich selbst für eine gute Sache, verströmen sich und lassen sich ausnützen, aber die Rechnung geht dann oft für die Betroffenen nicht auf. Wenn sie dann alt und grantig sind, müssen sie sich rächen. Das Engerl an sich als putziges, nettes Freudenbringerlein habe ich noch nicht kennengelernt. In meinem Stück versuche ich autobiografisch meine Funktion für die Welt zu symbolisieren, indem ich auch harmonisiere, auf dass ich selbst eine Freude habe, auf dass die anderen eine Freude haben. Ich will etwas Schönes in die Wellt setzen. Ich bin nicht von Natur aus boshaft, Anarchist und Demolierer. Vielleicht ein bisserl ein Zyniker. Da ist mir der Lichtbringer, der Luziferus, g'kommen. Das ist ein Engel, der die Finsternis erleuchtet. Er wird gestürzt und muss in der ewigen Finsternis vegetieren; und dabei wollte er doch nur etwas Gutes. Das ist das Thema.

Über subjektive Wahrheiten

Mir geht es ja nicht um eine allgemeine Wahrheit. Mir geht es um eine subjektive Wahrheit und eher darum, wie mir Himmel und Hölle referiert werden. Es gibt ja unzählige Taschenbücher - "Wie werde ich glücklich, reich und sexuell erfüllt?" etc... - das kann man alles befolgen oder nicht. Heraus kommt eigentlich, dass da immer ein dünne Schicht Utopie vorhanden ist und Zuversicht, Liebe, Glaube, Hoffnung. Aber es grammelt und knirscht, und in Wirklichkeit werden diese Taschenbücher ja nicht befolgt, weil sonst bräuchte man nicht 10.000 Stück davon, sondern nur zwei. Wenn die jeder liest und umsetzt, wäre die Welt anders. Es geht also um diese Gegenkräfte, die Wiener sagen dazu "innerer Schweinehund"; und der wird bei mir barock aufgeblasen.

Über Münzen, Zigaraettenpackerln und Heiligenbilder

Das Sprichwort sagt: Das Gute kommt von oben. In Wahrheit ist es aber eher so, dass das Gute von unten kommt. Man hofft auf den Glücksregen. In Märchen sind Goldtaler sehr beliebt. Für die Goldmarie regnet es halt schöne Dinge herunter. Der Krankenpfleger, der bei mir vorkommt, hat, weil er Geburtstag hat, seine ganzen Ersparnisse in einen Helikopter hinein gepulvert, der Münzen und Zigarettenpackerln für den Normalverbraucher, für die Süchtis 'runterschmeißt; seltsamerweise schmeißt er auch Heiligenbilder herunter. Der heilige Antonius ist zum Beispiel gut, wenn man was sucht. Aber ich kenne kaum jemanden, der mit Heiligen was anfangen kann. Heilige zu haben, ist ja eigentlich was Heidnisches. Bäume anzubeten, ist in Ordnung, nur blöd, wenn sie eingehen. Stellen Sie sich vor, sie pflanzen einen Lebensbaum, und der geht dann ein, weil die Hunde hinpinkeln.

Karl Ferdinand Kratzl und Sprichwörter

Ich habe ein tiefes Misstrauen, das gepaart ist mit einer Sehnsucht nach Tankstellen der Zuversicht und der Hoffnung. Jedes schöne Sprücherl, jede dahin gesagte kleine Weisheit, wenn man die weiterdenkt, das haut nie hin. Zum Beispiel: "Jeder Tag ist ein Geschenk" - und oft bekommt man was geschenkt, was man gar nicht braucht. Alle diese glücksbringenden Sätze und Ideologien - die müssen passen. "Man" sagen ja schon die Psychologen seit 20 Jahren: Man muss die Kinder dort abholen, wo sie sind. Nur wo sind sie? ... Es geht immer weg von der Befindlichkeit des Einzelnen, der muss erlöst, geheilt werden. Wie es dem einzelnen Kabarettbesucher geht, das ist wurscht. Ich versuche in meiner kleinen therapeutischen Ambulanz die Leute dorthin zu bringen, wo sie sind, denn das wissen sie ja gar nicht. Sie kommen ja auch von einem Arbeitswirbeltag. Wenn sie dann merken, da grammelt es genauso wie wo anders, dann haben wir ein Heimatgefühl.

Komiker, Schauspieler, Kabarettist oder Alleinunterhalter?

Ich bin kein Biertischunterhalter. Ich bin ein scheuer Mensch. Auf Vernissagen halte ich mich eher im Hintergrund, aber auf der Bühne tue ich so, als wäre ich eine Bühnenfigur. Dann gibt es ja die Musen oder so, die küssen einen - und dann kann man ja so reden, in der Haltung eines Pfarrers, Politikers oder wie ein Mörder. Dann kann man sich in jemanden verwandeln, und dann spricht man so wie zu Pfingsten mit Engelszungen, und man ist nicht man selbst, sondern kann auch Formulierungen prägen, für die man unschuldig ist, weil sie im Moment kommen.

"Fest des Friedens" aus dem Untergrund

Was ich hasse, sind Ankündigungen. Was ich hasse, sind Flyers, Werbung wie "Wir machen da jetzt was, und das ist ursuper!" oder Veranstaltungen wie "Golfen für den Frieden". Man will Leute für einen guten Zweck. Ich als einzelner, der das alles ins Postkastl bekommt, denkt sich: "Was hat das mit mir zu tun? Das ist Müll!" Zu den Herzen zu kommen, das ist das Schwierige! Ich kenne auch Leute, die in Pfarren tätig sind. Da gibt es eine ziemliche Tyrannei. Wenn jemand nicht mitmacht, wenn gerade Flohmarkt ist und er hat etwas anderes vor, die Tante Mizzi besuchen oder einen Ausflug machen, dann ist er ein böser Mensch. Denn der Flohmarkt dient ja wieder dazu, dass man irgendwas unterstützt. Es gibt einen Terror der Humanität, und das hab' ich versucht, mit dem Ball des Friedens auszudrücken.

Über das schlechte Gewissen

Es wäre sehr schön, wenn man das schlechte Gewissen befriedigen könnte. Das würde heißen, dass das schlechte Gewissen ein Bedürfnis hat, eine triebhafte Gier, die zu einem Höhepunkt kommt; dann kann man es befriedigen. Das wäre fein, wenn das ginge. Aber das schlechte Gewissen ist eine Krankheit; die bekommt man mit, und das sollte man eigentlich abgeben, zurückschicken, die Urahnen exhumieren und ihnen sagen: "Danke, das brauchen wir nicht. Das könnt ihr zurück haben . Das tut niemandem gut!"

Über lebensrettende Leidenschaften

Was tut man, wenn die so genannten Hobbys nicht greifen. Es gibt lebensrettende Leidenschaften: Briefmarkensammeln, Biotopbauen, Wandern, wurscht was. Wenn die lebensrettenden Leidenschaften Pause machen, dann ist der Mensch dort, wo er ist. Darüber wird höchstens gejammert - von hysterischen Menschen, die sich darüber beklagen, dass es ihnen so schlecht geht. Aber das ist der Punkt, den jeder kennt. Da findet keine Kommunikation statt, und der ist eigentlich komisch; darüber könnte man lachen. Eigentlich geht es einem eh halbwegs gut: Man hat zum Einheizen, zum Essen, und trotzdem ist eine Unzufriedenheit da. Warum? Wofür? Wem nützt das? Und wenn man da lachen kann, dann ist Humor recht am Platze!

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