Ein Klassiker neu übersetzt

Geschichten aus 1001 Nacht

Die schöne Scheherazade hat die Geschichten erfunden und in 1001 Nächten erzählt. So glaubt man es zumindest in Europa. In Wirklichkeit war alles ganz anders. Egal, die fantasievollen und zumeist auch erotischen Erzählungen werden auch heute noch gern gelesen.

Was für uns heute als Inbegriff des Orients gilt, wurde erst einer persischen Vorlage folgend ins Arabische übertragen. Und der persische Text soll sich an einem indischen orientiert haben, was aber nicht mehr nachzuweisen ist. Die Rahmenhandlung von tausendundeiner Nacht ist "im Inselreich von Indien und China" angesetzt, die Könige der Sasaniden bilden den pseudohistorischen Rahmen.

Auf viele Araber wirkten die "Geschichten aus 1001 Nacht" genau so exotisch wie auf uns Westeuropäer. Je mehr man sich mit diesem Werk beschäftigt, desto mehr entzaubert es unser Orient-Klischee.

Unendlich viele Geschichten

Genau genommen, führt der Orientalist Andreas Pflitsch aus, kennt das Werk auch gar kein "Original". Zu Märchen, meint er, wurden die Geschichten aus 1001 Nacht erst in Europa. Und auch 1001 Geschichte wurden es erst in Europa, ursprünglich umfasste die Sammlung nur 282 Erzählungen.

Die Zahl 1001 im Originaltitel soll "unendlich viel" versinnbildlichen. Im Westen hingegen, so Andreas Pflitsch, wurde dies wörtlich genommen, und so haben sich westliche Orientalisten im Orient neue Geschichten erzählen lassen oder schlicht weitere erfunden.

Mittelpunkt der Welt: Bagdad

Was wir also als untrügliche Ausgeburt des Orients halten, wurde zum Teil von Westeuropäern verfasst. Welche Ironie der Geschichte. Die Figuren, mit denen wir es in Tausendundeiner Nacht zu tun bekommen, die haben aber sehr oft einen realen Hintergrund. Harun al Raschid, der von 786 bis 809 lebte, war etwa tatsächlich Kalif in Bagdad und führte die Stadt zu einer ersten wirtschaftlichen und kulturellen Blüte, an der weite Teile der Bevölkerung teilhatten. Sein Andenken wird auch im Bagdad von heute noch hochgehalten.

Die 762 gegründete Stadt Bagdad wurde zum Mittelpunkt der ganzen islamischen Welt und in kürzester Zeit zur reichsten Stadt der Welt. Schon kurz nach seiner Gründung sollen in Bagdad 700.000 Menschen gelebt haben, um 900 sollen es 900.000 gewesen sein. Die großen Karawanenhändler hatten ein dichtes Netz von Geschäftsverbindungen quer durch das ganze Reich und über dessen Grenzen hinaus aufgebaut.

Derb und zotig

Nicht nur nach Aachen, auch nach Indien unterhielt Kalif Harun al Raschid diplomatische Beziehungen. Im Europa des 18. Jahrhunderts gerieten die "Geschichten aus 1001 Nacht" zu einem ersten großen internationalen Bestseller, vor Ort im Arabischen hatten sie allerdings nur eine geringe literarische Bedeutung.

"Die Geschichten aus 1001 Nacht" wurden ursprünglich von Geschichtenerzählern in arabischen Kaffeehäusern zur Unterhaltung des ausschließlich männlichen Publikums vorgetragen. Dieses bestand aus gescheiterten Existenzen, ausgemusterten Soldaten, Kleinkriminellen und Drogensüchtigen, dementsprechend derb und zotig waren die Geschichten.

Das Herzstück von 1001 Nacht

Warum braucht es nun eine Neuübersetzung? Weil, so Übersetzerin Claudia Ott, es die wenigen kompliziert konstruierten Gedichte sind, die ihrer Meinung nach das Herzstück von 1001 Nacht bilden. Diese liegen nun erstmals in einer Übersetzung vor, die Reim und Metrum des arabischen Textes möglichst originalgetreu wiedergeben. Des weiteren, weil die zugrunde liegende Version noch nie übersetzt wurde, und weil es jene ist, mit der der Siegszug in der westlichen Welt von Frankreich ausgehend begann. Und wohl auch deshalb, weil wir von den Geschichten aus 1001 Nacht nie genug kriegen können.

Buch-Tipp
"Tausendundeine Nacht (1001 Nacht)", neu übersetzt von Claudia Ott, Beck Verlag, ISBN 3406516807