Über Fliffis, Quadriffis und Adolfs

09. Sprungbrett zum Erfolg

Kenia gilt als das Land der Langstreckenläufer. Österreich ist das Land der Skifahrer. Während Athen 2004 war zu lernen, dass Thailand ein Land der Gewichtheberinnen ist. Welches Land aber ist das Land der Trampolinspringer?

Warum gewisse Disziplinen zu Nationalsportarten werden, lässt sich aus einer Reihe von Faktoren erklären: geographische, kulturelle, sozioökonomische etc. Warum man etwa hierzulande so gut Ski fährt, ist relativ leicht zu begründen (viele Berge, wenig anderes). Bei den Trampolinspringern, die in Athen zum zweiten Mal zu einem olympischen Einsatz kommen, ist das weit schwieriger.

An der Topographie wird es kaum liegen, an wirtschaftlichen Interessen ebenso wenig und an etwaigen Dispositionen von Mentalität oder Nationalseele schon gar nicht. Daher hier ein Erklärungsversuch durch modische Annäherung.

Retromode wie im Pudelsalon

Turner und Turnerinnen haben es ja schon an und für sich nicht leicht. Während ihre Sportlerkollegen in Athen alle mit der neuesten und aufregendsten Mode Publikum, Jury oder Konkurrenten beeindrucken, sind sie noch immer tief in den 70er Jahren stecken geblieben.

Die Turner: allesamt Riesenbizepse mit angehängten, leicht untersetzten Körpern, die in blauen oder roten Unterhemden stecken und - am Seitpferd oder Reck - langen Hosen, die man echt nur noch als Turnhosen bezeichnen kann. Eng um die Taille, eng um die Fersen, dazwischen dennoch pludernd und gerne aus seltsam glänzenden Stoffen. Wie frisch aus dem Pudelsalon.

Die Turnerinnen sind auch nicht besser dran: eine "Turn-Diva" wie Svetlana Khorkina (1,64 Meter) gilt hier bereits als Riesin. Und muss wie ihre weit kleineren Kolleginnen mit leuchtenden Badeanzügen vorlieb nehmen, die sich einzig durch ihre langen Ärmeln auszeichnen. Retrograd 100, aber leider komplett ohne Charme.

Fliffis, Quadriffis, Rudis und Adolfs

Trampolinspringer und Trampolinspringerinnen sehen nun genauso aus wie ihre bekannteren Kollegen von Ringen, Barren oder Boden. Haben aber den zusätzlichen Nachteil, dass ihre Übungselemente nicht einfach Salto oder Schraube heißen. Sondern Fliffis, Quadriffis oder Rudi.

Und das ist kein Witz. Sondern die Fachsprache der Trampolinisten. Rudis bedeuten Einfachsalti mit eineinhalb Schrauben, Fliffis sind Doppelsalti mit einfacher Schraube und Quadriffis Vierfachsalti mit Schraube. Besonders schwierig, und das nicht nur zeitgeschichtlich, ist aber ein Adolf. Der besteht aus einem einfachen Salto vorwärts mit dreieinhalb Schrauben.

Suche nach der "Nation der Baby-Fliffis"

Und weil Trampolinspringer nicht nur auf den Füßen aufkommen müssen, haben sie sich auch lustige Namen für die Verwendung anderer Körperteile einfallen lassen. So ist Cody ein Salto rückwärts aus dem Bauch in den Stand und ein Baby-Fliffi ein Salto vorwärts mit halber Schraube aus dem Rücken in den Stand.

Welches Land lässt sich nun freiwillig als "Nation der Adolfs und Baby-Fliffis" bezeichnen? Ich fürchte keines. Kleiner Hinweis zum Schluss: Die Titelverteidiger sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen kommen aus Russland, härteste Konkurrenz wird aus Deutschland, Kanada, China und der Ukraine erwartet.

Text: Lukas Wieselberg ist Redakteur bei science.ORF.at. Hat von Trampolinspringen weitaus weniger Ahnung, als von seiner Lieblingsdisziplin Radfahren, schreibt aber trotzdem gern drüber.

Links
Trampolinturnen.de
Athen 2004
ORF.at - Spiele 04
Auch der schnöde Mammon lockte
Olympia in science.ORF.at
Österreichisches Olympia und Sport Museum