Christine Nöstlingers Erfahrungen mit dem Medium Radio
Der Duft des Dampfradios
Christine Nöstlinger bricht eine Lanze für Hubert Gaisbauer, der ihr die Arbeit im Radio schmackhaft und sie selbst "ein bisschen gescheiter" gemacht hat. Deshalb hält sie dem guten alten Dampfradio die Treue, dessen Dampf sie schon gut 30 Jahre lang gerne riecht.
8. April 2017, 21:58
Die Arbeit fürs Radio war sozusagen der zweite Bildungsweg.
Ich fürchte, das wird eine Liebeserklärung. Eine Liebeserklärung ans gute, alte Dampfradio, das samt seinen Maschinisten peu a peu in Pension gegangen ist. Wer bei diesen Maschinisten das Kesselheizen gelernt hat, wuselt zwar noch durchs Funkhaus, aber die meisten ehemaligen Azubis haben auf neuere Betriebsart umgestellt. Der Rest steht im "Leo" und trotzt wacker dem Zeitgeist. Und dies, ohne mit "Radl-Radl-renn-aus" bedroht zu werden, was wohl daran liegt, dass es die Funkhaus-Klimaanlage nicht schafft, den Dampfradiodampf aus allen Studio-Winkeln zu blasen.
Muss so vor 33, 34 Jahren gewesen sein, als ich meinen ersten Beitrag für eine Sendung machte. Eine knochen-trockene 10-Punkte-Liste zum Thema "Baby am südlichen Strand" durfte ich anmutig einkleiden. Ich versuchte mich ja als Mitarbeiterin beim Familienfunk. Der kümmerte sich freilich nicht nur um solch Pipifax, der nahm sich engagiert der "Gesellschaftsveränderung zum Besseren hin" an, aber ich war zum Recherchieren und Interviewen zu faul, mir reichte "ein bissl dazugehören". Heute finde ich es ja urkomisch, aber ich fühlte mich echt high, als mich der Funkhaus-Portier zum ersten Mal nicht nach meinem Begehr fragte, sondern nickend vorbei ließ.
Als Autorin werkt man einsam vor sich hin und das freut nicht immer. Zur Abwechslung mit anderen zu arbeiten, an Redaktionssitzungen teilzunehmen, wo hinterfragt, geplant, gemotzt, gelobt, verworfen wird, tut dann wohl. Zu Wort meldete ich mich in diesen Sitzungen wenig. Ich nahm sie als "zweiten Bildungsweg" , denn die anderen, die da parlierten, waren viel gebildeter als ich, alles aufrechte 68er, studiert, belesen, kritisch, bewusstseinsmäßig auf der linken Höhe der Zeit. Ich hörte zum ersten Mal von Leuten wie Ivan Illich, Alice Miller, Eberhard Richter und Alexander Mitscherlich, von Begriffen wie Theologie der Befreiung und schwarze und weiße Pädagogik, und ich gab mir alle Mühe, meine Defizite aufzuarbeiten.
Sicher hätte ich mich von der Radio-Arbeit wieder verabschiedet, wäre da nicht der Hubert Gaisbauer gewesen, der vor mir gewusst hat, was ich gut kann, mich animiert hat, es zu tun, und es als Sendungsmacher optimal umgesetzt hat. Meine Dialekt-Gedichte habe ich für seine "Musicbox" geschrieben, erst nachher wurden sie verlegt. Den Dschi-Dsche-i-Wischer habe ich mir für ihn ausgedacht, und dass der kleine Kerl ein großer Erfolg wurde, ist ihm zu verdanken, denn ein guter Text ist für den Hugo, wenn hinterher kein Könner am Werk ist. Arbeitet man als Autor fürs Radio braucht's Vertrauen zum Sendungsgestalter, und ich durfte mich zwei Jahrzehnte drauf verlassen, dass der Hubert Gaisbauer das Bestmögliche aus dem macht, was ich liefere, und er half weiter, wenn man bei der Arbeit Probleme hatte. Übrigens nicht nur bei der Arbeit. Er war eine ethische Instanz. Hielt er etwas für richtig, das ich für falsch hielt, sagte ich mir: "Wenn er das so sieht, muss ich es überdenken". Nicht, dass ich dann immer meine Meinung geändert hätte, aber zumindest achtete ich fortan die konträre Meinung.
Ich habe im Laufe der Jahre für viele Medien gearbeitet. Verlage, Zeitungen, TiVi. Überall gab's gescheite Leute, aber die Arbeit für sie hat mich nicht gescheiter gemacht. Das hat nur die Arbeit beim guten, alten Dampfradio bewirkt. Und drum halte ich dem Funkhaus die Treue, solang dort noch ein Häuchlein Dampfradiodampf zu erschnuppern ist.