Von der Kunst, Filzbälle zu treffen
10. Sex über 50 oder Tennis im Alter
Es ist absolut falsch, zu glauben, dass Tennis ab einem gewissen Alter nur zum Spaß gespielt wird. Denn nirgendwo wird so verbissen gekämpft wie im Seniorentennis. Für manche scheint dieser Sport u. a. auch eine Art Ersatzbefriedigung zu sein ...
8. April 2017, 21:58
Meterhoch sind sie - die Schriften, Broschüren und Bücher über Tennis. Besonderes Augenmerk wird dabei auf Technik, Taktik, Regeln, geschichtliche oder gesundheitliche Aspekte gelegt. Über die psychischen Voraussetzungen, diesen Sport auszuüben, ist nur wenig zu lesen. Aber gerade die Psyche spielt - vor allem im Alter - eine große Rolle, um seinem ersehnten Ziel näher zu kommen, nämlich: ein Match zu gewinnen.
"Nur zum Spaß!" - von wegen!
Sätze wie: "Ich will gar nicht gewinnen, ich spiele nur zum Spaß! sind in diesem Sport schlicht und einfach Lügen. Denn nirgendwo wird so verbissen gekämpft wie im Seniorentennis. Das können Sie einem 54-jährigen Jungsenioren-Spieler, der selbst trotz zahlreicher Wehwehchen noch immer um jeden Punkt fightet, schon glauben! Gerade in diesem Alter findet man aber auch oft jene Befriedigung, die einem Jahrzehnte lang versagt blieb, nämlich - endlich auch einmal zu gewinnen - zumindest so lange, bis jene als Senioren nachkommen, gegen die man schon immer verloren hat.
Ohne Fleiß, kein Preis
Bevor ich versuche, Sie für diesen Sport zu gewinnen, vorweg ein kleiner, aber realer Dämpfer: Tennisspielen bedeutet in erster Linie Übung, Fleiß, Ehrgeiz, Schweiß und ein bisschen masochistisch angehaucht sein. Denn die Schmerzen, die Sie zweifelsohne erleiden, werden nicht nur körperlich, sondern vor allem auch seelisch gespürt.
Es klingt so einfach
Grundsätzlich gilt: man lernt etwas, um es zu beherrschen. Beim Tennisspielen muss man einen kleinen Filzball mit einem Racket über ein Netz schlagen. Das klingt relativ einfach. Ist es aber nicht! Denn schon allein bei der Durchführung eines Rückhandschlags gibt es mehr als 100 Möglichkeiten, es falsch zu machen. Trainieren ist daher angesagt, am besten mit einem Trainer, und zwar schon deswegen, um sich nicht zu verletzen oder sich gar falsche Schläge anzugewöhnen, die man nie wieder wegbringt. Genügend abgeschreckt? Sollten Sie aber nicht, denn Tennis kann im Alter sogar zur heimlichen Liebe und Ersatzbefriedigung werden.
Tennis als Denksport
Gerade im Alter rücken die physikalischen und physiologischen Voraussetzungen immer mehr in den Hintergrund. Entscheidend hingegen werden die psychologischen Fähigkeiten, die da sind: mehr Erfahrung, mehr Geduld und mentale Stärke. Denn Tennis ist vor allem auch ein Denksport, dem Schachspiel gleich, in dem die Logik dominiert. Tennis spielt sich viel im Kopf ab. Und dabei ist eines besonders wichtig: nicht nur Selbstvertrauen haben, sondern vor allem jenes des Gegners gnadenlos zerstören. Ob man dabei mit Hasstiraden die Konzentration seines Gegenübers stört und damit verunsichert, ihn in Diskussionen verwickelt oder etwa mit Tricks wie etwa vorgetäuschten Verletzungen Mitleid erweckt, ist egal. Hauptsache bleibt die Ablenkung seines Gegners.
Achtung! Suchtgefahr!
Ohne Liebe zu diesem Sport geht gar nichts, wobei vor allem die Liebe im Alter immer in Gefahr gerät, langweilig zu werden. Aber im Tennis führt sie zu den verrücktesten Reaktionen. Hier genügt ein Schlag, ein Erfolgserlebnis, und Sie haben ein solches Glücksgefühl, dass Sie von diesem Sport nicht mehr los kommen. Reizvoll sind auch andere Aspekte: Abgesehen vom Stressabbau stärkt Tennis beispielsweise ihren Charakter. Man kann sich so herrlich abreagieren und seine Aggressionsstaus loswerden, Macht ausüben im Kleinen. Das kann man auch ohne Tennis, sagen Sie? Richtig! Aber beim Tennisspielen kann man weniger Schaden anrichten.
Vorsicht vor falschem Ehrgeiz!
Vorsicht aber, wenn Sie der Ehrgeiz gepackt hat. Erste Warnzeichen dafür sind aufkommende Wehwehchen wie der berüchtigte Tennisarm oder Schmerzen in Rücken und Schulter. Mit Maß und Ziel, ohne Übertreibung spielen, schadet meistens nicht. Sie müssen ja nicht bei den Olympischen Spielen teilnehmen. Vom Spitzensport ist ohnehin abzuraten. Außerdem: Wenn sie gegen bessere spielen, haben Sie bald keinen Spaß mehr an diesem Spiel. Spielen Sie gegen Schwächere! Etwa gegen Ihren Chef
Tennis und der Spaßfaktor
Lachen hat noch niemanden geschadet, und gerade beim Tennisspielen kann man viel Spaß haben. Man muss nur im Vorhinein wissen, mit wem man sich einlässt. Ein Chef, der meistens älter ist, ist dabei oft ein dankbarer Gegner, nur - er sollte auch Spaß verstehen. Die Alarmglocken sollten jedenfalls zu läuten beginnen, wenn er beispielsweise nach einem für Sie amüsanten Ballwechsel ausruft: Waunsd no amoi Stop - Lob spülst, bist morgn in die Portierloge versetzt!. In einer solchen Situation sollten Sie - um Himmels willen - ja nicht frei herauslachen. Lachen Sie innerlich! Und lassen Sie ihn zur Versöhnung den nächsten Punkt machen.
Mit oder gegen die Ehefrau
Achtgeben sollte man auch beim Spielen mit oder gegen die Ehegattin, was die Statistik der hohen Scheidungsraten, aber auch die Verletzungen in diesem Sport beweisen. Es gibt nämlich nichts Schlimmeres als Auseinandersetzungen von Ehepartnern auf dem Tennisplatz in aller Öffentlichkeit. Und wenn sie dort nicht stattfinden, führt der innere Stau spätestens unter vier Augen zur Explosion mit gravierenden Folgen. Vor allem im Mixed-Doppel - dem so genannten "Herren-Einzel mit Handicap" - ist Gefahr im Verzug.
Apropos Verletzungen
Für die Taktik bei einem Match können vorgetäuschte Verletzungen oft sehr hilfreich sein. Sie müssen nur glaubwürdig erscheinen. Ausreden wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit oder Mumps wirken dabei eher lächerlich. Besser Sie hinken, wenn geht aber mit ein- und demselben Fuß. Glaubwürdig sind auch Herz- und Kreislaufschwächen, um beim Gegner Mitleid zu erwecken.
Echte Verletzungen kommen natürlich auch vor, vor allem im Tennis. Man braucht sich ja nur die lange Verletztenliste der Tennisstars bei den jetzigen Olympischen Spielen anschauen. Um jenen vorzubeugen, ist es - und das ist jetzt ein ernst gemeinter Rat - gerade im Alter ungeheuer wichtig, vor und auch nach einem Spiel gymnastische Übungen zu machen.
Auch ohne Schweiß Unterhaltung pur
Fragmentarische Einblicke in diesen Sport wie jene vorliegenden verlangen natürlich lechzend nach Reaktionen, um sie weiter auszudehnen. Sollten Sie trotz angeführter Beispiele dennoch nicht zum Schläger greifen, bin ich nicht böse. Man kann auch Spiele im Fernsehen verfolgen, damit man wenigstens weiß, wies geht. Auch der Besuch bei einem Tennisklub, wo Sie Hobbyspieler bei ihren Matches beobachten können, ist sehr aufschlussreich. Manchmal ersetzen solche Schauspiele sogar einen Theaterbesuch ...
Text: Als ehemaliger Sendeleiter und Sportjournalist zum Ö1 Online-Redakteur mutiert, ist Franz Rezny als ebensolcher noch immer dem Sport zugetan, vor allem dem Tennisspielen, welches er auch aktiv trotz seines Alters und einiger Verletzungen mit voller Begeisterung ausübt.
Hör-Tipp
Ganz Ich, Mittwoch, 23. August 2006, 14:45 Uhr
Download-Tipp
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Links
Wikipedia - Tennis
Tenniscenter - dt. Tennisplattform
Hobbyliteratur über Tennis
Tennisurlaub in Österreich
ÖTV