Harte Fakten zu einer weichen Therapie

Wie wirkt Musik?

Weniger Medikamente gegen Schmerz, verminderte Angstzustände - Musik kann heilen helfen. Dieses Wissen haben schon alte Kulturen genützt. In neuen Studien wird nun erforscht, was für physiologische und psychologische Prozesse dabei ablaufen.

Klangteppich zur Beruhigung von Krankenhauspatienten

Wesentlich weniger Medikamente gegen Schmerz, ein drei Mal stärkeres Wohlgefühl im Krankenhaus, deutlich verminderte Angstzustände und Depressionen bei Multiple Sklerose Patienten. Das sind harte Fakten zur "weichen" Musiktherapie. Wie sie wirkt, damit hat sich in Salzburg ein internationaler Kongress beschäftigt.

Im Einklang mit der Musik

Auf die Rhythmen kommt es an. Und auf ihre Abstimmung. Das ist eine Grunderkenntnis über die Wirkung von Musik. Die individuellen Rhythmen eines Menschen - wie Herzfrequenz oder Pulsschlag sollten mit den biologischen Rhythmen in der Musik, die vom Komponisten und Interpreten stammen, im Gleichklang sein. Dann wirkt Musik positiv.

Bisher sind die Rhythmen aber weder in der Musik noch im Menschen genau erforscht. Das hat sich nun der Berliner Physiker und Chronobiologe Hans Ulrich Balzer zur Aufgabe gemacht. Er ist auch Leiter des Netzwerkes Mensch und Musik am Mozarteum in Salzburg.

Messung der biologischen Rhythmen

Hans Ulrich Balzer hat als erster weltweit ein ambulant einsetzbares Gerät entwickelt, das am Handgelenk getragen werden kann und das im Labor ebenso wie im Konzertsaal oder zu Hause die biologischen Rhythmen eines Menschen misst.

Mit dem kleinen Hochleistungs-Gerät hat die Musikwirkungsforschung nun erstmals die Möglichkeit aus den engen Räumen der Labors hinaus in die alltägliche Praxis zu gehen.

Der Patient könnte das Gerät tragen, vor und während der Musiktherapie und so könnte man die Veränderungen exakt erfassen und schrittweise die Musik auf den sich ständig ändernden Zustand eines Menschen anpassen. Wichtigster Motto: Bei der Musikwahl vom kranken Zustand des Menschen ausgehen und ihn langsam mit der Musik in einen gesunden Rhythmus bringen.

Wirkung der Musik ist von vielen Umständen abhängig

Musik gezielt für Heilzwecke komponieren, adaptieren und kontrollieren. Hans Ulrich Balzer findet das durchaus sinnvoll. Denn falsch gewählte Musik kann schaden. Mozart zum Beispiel ist kein Allheilmittel.

Musik zu zerlegen um fest zu stellen wie sie wirkt, darin sieht der Ethnologe und Musiktherapeut Gerhard Tucek derzeit noch ein Problem. Denn neben der Musik spielen auch der Therapeut, die Umgebung oder die Stimmung eine wichtige Rolle.

Gerhard Tucek spielt Patienten mit schweren Schädel- Hirn-Traumata auf orientalischen Laute-ähnlichen Instrumenten einfach strukturierte Musik vor und hat damit erstaunliche Erfolge. Sonst leblose Patienten reagieren auf die Musik, indem sie sich zum Beispiel in Richtung der Musikquelle drehen.

Musik mindert Angstzustände und Depressionen

Sowohl Musik hören als auch Musik machen wirkt. Das stellt auch der Psychologe und Künstler David Aldridge von der Universität Witten-Herdecke in seinen Studien fest.

In Witten-Herdecke wird Musiktherapie bei Brustkrebspatientinnen eingesetzt, sowie bei Koma-Patienten, Querschnittgelähmten oder bei Patienten mit Multipler Sklerose. Wichtigstes Ergebnis der neuesten Studien: Die Angstzustände und Depressionen sind deutlich reduziert. Das Selbstwertgefühl ist um ein Vielfaches gesteigert.

Erwachen mit Musik

Harte Fakten zur "weichen" Musiktherapie liefern auch Studien des dänischen Intensivmediziners Per Thorgaaard. Er setzt bei Patienten, die aus der Narkose aufwachen, Musik ein, die der dänische Musiker und Komponist Niels Eje gezielt für diese Situation komponiert hat.

Die Musik wird nicht nur in Dänemark, sondern bereits auch in Kanada oder in den USA eingesetzt. Die Studien haben gezeigt, dass sich Patienten mit der Musik im Krankenhaus dreimal so wohl fühlen wie ohne.