Von kulturhistorischer Bedeutung

Der einst gefürchtete "Musikpapst"

Er war Ästhetiker, Musikwissenschaftler und ein gefürchteter Musikkritiker: Eduard Hanslick, dessen 100. Todestag sich am 6. August jährt. Die Kritiken des einstigen "Musikpapstes" waren stets amüsant - und in vielen Fällen hatte sein Urteil auch Bestand.

Michael Heltau liest aus Hanslicks "Aroldo"-Kritik

In seiner Jugend galt ihm Wagners "Tannhäuser" noch als unvergessliches Erlebnis, in die Musikgeschichte ist sein Name als hartnäckiger Wagner-Gegner eingegangen: Eduard Hanslick (1825-1904), Wiener Musikkritiker, Ästhetiker und Musikwissenschaftler, dessen 100. Todestag sich am 6. August jährt. Die Kritiken Eduard Hanslicks waren stets amüsanter Lesestoff. Und - öfter als man glaubt - hatte sein Urteil auch Bestand.

Anlässlich seines Todestages soll auch nicht vergessen werden, dass der einflussreichste deutschsprachige Musikkritiker des 19. Jahrhunderts durch eine historisch-kritische Gesamtausgabe in seiner wahren kulturhistorischen Bedeutung bestätigt wurde. Sofern ihm nicht allein schon die Tatsache, dass Richard Wagner ursprünglich seinen Namen für die Rolle des Beckmesser in den "Meistersingern" abwandeln wollte, einen Ehrenplatz in der Geschichte der Musikkritik verschafft hat.

Heltau liest Hanslick-Kritiken

In dieser Sendung werden dem Hörer Kostproben aus einigen der markantesten Kritiken - gelesen von Michael Heltau - mit der Musik, die er kritisiert hat, gegenüber gestellt.

Da man Hanslick immer mit Richard Wagner in Zusammenhang bringt, werden dessen Werke diesmal beiseite gelassen, um zu dokumentieren, dass Hanslick keine Mühe hatte, unter seinen Zeitgenossen genügend Opfer für seine spitze Feder zu finden.

"Opfer" Verdi

In dieser Hinsicht dürfte seine bevorzugte Zielscheibe Giuseppe Verdi gewesen sein. So fand der einstige "Musikpapst" recht derbe Worte für Verdi:

Roh, trivial und langweilig - das waren seine bevorzugten Termini bei der Beschreibung von Verdis Musik.

Weniger heftig mit Jungen

Seine Kritiken waren aber selten unbedingt und ließen gerne ein Hintertürchen offen. Sie konnten aber durchaus auch vernichten.

Erstaunlicherweise ging Hanslick mit der damaligen jungen Komponisten-Generation wie Gustav Mahler und Richard Strauss nicht allzu grob um. So setzte er sich z.B. sehr für Mahlers Übernahme der Hofopern-Direktion ein.

Verriss-Beispiel Tschaikowsky

Als Beispiel sei nun ein Total-Verriss - der übrigens bei Hanslick viel seltener vorkam, als man vermuten würde - angeführt, und zwar Peter Iljitsch Tschaikowsky betreffend. Dieser hatte mit seinen Solokonzerten immer wieder Schwierigkeiten, weil er seinen Solisten darin allzu viele technische Probleme bereitete.

So hatte es zur Folge, dass der Widmungsträger Nikolaus Rubinstein das Klavierkonzert in b-Moll ablehnte. Und auch das Violinkonzert konnte nicht problemlos und wie geplant uraufgeführt werden.

"Stinkende" Musik

Beim Violinkonzert hatte Tschaikowsky schon fast die Hoffnung auf eine baldige Aufführung aufgegeben. Während einer Italienreise las er zufällig in einem römischen Cafe, als er die "Neue freie Presse" aufschlug, in einer Kritik u.a.:

"Friedrich Vischer behauptet einmal, (...) es gebe Bilder, 'die man stinken sieht'. Tschaikowskys Violin-Concert bringt uns zum erstenmal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört." Hanslicks Diktum von der "stinkenden Musik" hat Aufsehen erregt, doch solche direkten Insultationen gehörten nicht zum Standard-Repertoire des Kritikers.

Ironie als Waffe

Wesentlich öfter setzte Hanslick die Ironie als Waffe ein, besonders bei der Oper. Denn einfaches Erzählen der Handlung kann mit den rechten Worten schnell dazu führen, dass Werk und Schöpfer nicht mehr Ernst genommen werden. Wie etwa bei Giuseppe Verdis "Aroldo", der im Wiener "Kärtnertortheater" erstaufgeführt wurde:

Und so heißt es heißt es in Hanslicks Rezension u.a.: "(...) abermals hätte die Oper die schönste Gelegenheit, hier zu Ende zu sein - aber nein: Vierter Akt."