Steile Karriere und plötzlicher Rückzug
Rudolf Nagiller
Rudolf Nagiller erklimmt die Karriereleiter des ORF in rasantem Tempo: Er schaffte den Aufstieg vom Redakteur im Landesstudio Tirol bis zum Hörfunk- und Fernseh-Informations-Intendant. In seinen Führungs-Positionen ist er aber umstritten. 1998 zieht er sich aus dem ORF zurück.
8. April 2017, 21:58
Rudolf Nagiller
Wenn man Führungsfunktionen hat, kann man nicht unschuldig bleiben, das habe ich irgendwann begriffen. Wenn man unschuldig bleiben will, dann macht man einen schweren Fehler. Denn dann tut man nichts, oder man will es allen recht machen. Jeder hat recht, der gerade im Zimmer war, und dann hat der nächste recht, also mit dieser Paradoxie muss man irgendwie lernen zu leben.
Wunsch und Zufall: der ORF
Rudolf Nagiller wurde am 15. März 1943 in Untermettingen in Baden-Württemberg geboren. Nach Kriegsende zog seine Familie nach Tirol und später nach Bregenz. Dort absolvierte Nagiller die Matura, um anschließend in Innsbruck Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Nach Abschluss der Doktorarbeit beginnt Rudolf Nagiller seine journalistische Karriere.
Es war eine Mischung aus Wunsch und Zufall. Natürlich habe ich eher damals, das war Ende der Sechziger, an die großen Zeitungen gedacht. Man ist ja nicht bescheiden. Dann wars halt ein Zufall, dass ich jemanden kennen gelernt habe, der mich zuerst zu einer kleinen Wirtschaftsagentur, und dann zum Radio vermittelt hat.
Im Kielwasser des Erfolges
Im Jahre 1968 kommt Rudolf Nagiller als Redakteur im Landesstudio Vorarlberg zum ORF. Doch schon zwei Jahre später holen ihn Generalintendant Gerd Bacher und Chefredakteur Franz Kreuzer zum Fernsehen nach Wien. Unter Innenpolitik-Chef Gerhard Weis bringt es Nagiller zum Zeit-im-Bild-Redakteur.
Ich bin in Wien schnell in ein Biotop gekommen, in dem viele Leute gearbeitet haben, die man später kennen gelernt hat. Die sind weitergekommen, und ich bin auch weitergekommen, irgendwie, im Kielwasser. Ich hab´ mich natürlich irgendwann auch emanzipiert. Alle vier Jahre kam ein neuer Generalintendant, und jedes Mal bin ich sozusagen einen Schritt weitergekommen, ohne dass ich aber besonders in Karriere-Kategorien gedacht habe. Das ist alles irgendwie von selber gelaufen. Klingt heute vielleicht unglaubwürdig, aber es war wirklich so.
Rasante Karriere
Nach vier Jahren bei der ZiB folgt Rudolf Nagiller 1974 Gerhard Weis als Innenpolitik-Chef nach. Im Jahre 1979 wird er Hörfunk-Chefredakteur und kreiert unter anderem die Reihe Im Journal zu Gast, für die er 1982 den Dr. Karl-Renner-Preis erhält.
1983 wird Rudolf Nagiller Chefredakteur des Fernsehens. Schon drei Jahre danach geht er als Intendant des Landesstudios Tirol nach Innsbruck. Seine Karriere beschleunigt sich weiter und 1990 kehrt er als Hörfunk-Intendant nach Wien zurück. 1994 wird er schließlich zum Informations-Intendanten beim Fernsehen. Nagiller ist in seinen Führungs-Positionen nicht unumstritten und wird oft kritisiert.
Anders Gefragt
Besonders umstritten waren die Sommergespräche, die Rudolf Nagiller unter dem Sendungstitel Anders Gefragt 1995 und 1996 führte.
Mein Motiv war einmal ganz anders die Fragerei anzugehen. Ich hab´ so viele politische Interviews geführt. Ich kann diese Interviews fast nicht mehr hören, ehrlich gesagt, weil sie ja in Ritualen erstarrt sind. Wenn man das so lange macht und jeden Tag damit zu tun hat, dann wird das irgendwann einmal sehr schwer zu ertragen, weil ja kaum mehr Kommunikation, oder Information fließt, sondern es wird ein Ritual erfüllt. Und das Ritual wollte ich verlassen. Das ist mir auch gelungen. Aber wenn Sie ein Ritual verlassen, dann kriegen sie Prügel. Das ist überall auf der Welt so.
Kritik und Rückzug
Prügel bekam er nicht nur von Kollegen aus den Printmedien, sondern auch aus den eigenen Reihen. Das Publikum nahm die Gespräche aber gut an. Dennoch hörte Rudolf Nagiller nach zwei Jahren mit dem umstrittenen Konzept auf. Es könnte sein, dass ich nicht der richtige Typ für diese Sendung bin, sagte er dem Profil 1996.
Im Jahre 1998 wechselt Generalintendant Gerhard Zeiler zu RTL. Seinem Nachfolger Gerhard Weis bietet Nagiller seinen Rückzug vom ORF an, was Weis akzeptiert. Seit seinem Austritt aus dem ORF verfasst Rudolf Nagiller Bücher über Gesundheit und Bewegung.