Den Hörern Raum geben

Michael Schrott

Michael Schrott ging mit dem Wechsel vom Fernsehen zum Radio den umgekehrten Weg, als viele andere ORF-Journalisten. Dort gestaltete er Jahre lang die Ö3 “Musicbox“ als Nischen-Programm. Heute leitet er die Ö1-Sendung “Diagonal“.

Michael Schrott

“Sehend gehe ich an Sachen heran, das heißt, das Auge ist das wichtigste Instrument des Hörfunk-Journalisten, weil der Hörer ja nichts sieht. Das heißt, ich muss ihm vermitteln, was ich sehe, wahrnehme, beobachte, und muss das dann umsetzten. Nicht ausschließlich in Töne, es hilft auch nichts irgendwo sein Mikrofon hinzuhalten und aufzunehmen, was sich abspielt, sondern ich muss auch dazu erzählen was ich sehe. Weil das Mikrofon ja auch blind ist.“

Traumberuf Journalist

Michael Schrott kam am 25. September 1949 in Wien zur Welt. Schon als Schüler war er begeisterter Zeitungsleser und träumte von einer Karriere als Tageszeitungs-Journalist. Er wurde auch Journalist, allerdings beim Radio. Er bewarb sich noch während der Matura beim Österreichischen Rundfunk.

“Das war ein mühsamer Bewerbungsprozess, es waren Posten ausgeschrieben, in öffentlichen Inseraten. Das hat begonnen mit einem langen Gespräch mit Alfons Dalma. Dann hat man eine Aufgabe bekommen, musste sechzig Zeilen schreiben über die Ursachen der Unruhen in der akademischen Jugend, es war Mai 68. Nicht eine dieser 60 Zeilen stammte von mir, sondern die waren alle abgeschrieben aus diversen Artikeln im Spiegel und in der Zeit.“

Lust aufs Radio

Da Michael Schrott auch die mündliche Prüfung bestand, wurde ihm eine Stelle in der Chronik-Redaktion des Fernsehens angeboten. Allerdings kam ihm der Einberufungs-Befehl dazwischen und Schrott musste zuerst den Heeresdienst ableisten. Dort entstanden seine ersten Radio-Sendungen auf einem “ziemlich obskuren Bundesheer-Schulungssender“.

Die Arbeit beim Fernsehen, wo Michael Schrott nach dem Militärdienst begann, machte ihm Lust aufs Radio. Denn die Abhängigkeit von Kameramann und Cutterin frustrierte ihn und er wollte selbstständiger arbeiten. So wechselte er nach eineinhalb Jahren zur Radio-Jugendredaktion.

Nischen-Programm in der “Musicbox“

1971 kam er zur “Ö3-Musicbox“, was für ihn zunächst mit einem Gehaltverlust verbunden war, denn die Jugendredaktion zahlte damals die schlechtesten Honorare im ORF. Die “Musicbox“ war aus der damaligen Jugendkultur nicht weg zu denken. Laut Schrott war sie nicht so links und so kritisch, wie heute oft behauptet wird. Doch die Sendung bot ein Nischen-Programm, in dem auch Minderheiten zu Wort kamen. Vermutlich wirkte das oft aufmüpfig.

“Die Musicbox war einfach das Programm, dass das gemacht hat, was die anderen nicht machen. Das heißt, in der “Musicbox“ lief die Musik, die im übrigen Ö3 nicht gelaufen ist, und es liefen die Berichte, die im übrigen Radio nicht zu hören waren. Solche Sendungen gibt es heute nicht mehr. Inzwischen decken die verschiedenen Redaktionen wirklich sehr viele Bereiche ab, man könnte heute nicht mehr eine Sendung machen, die sagt, wir machen das was alle anderen nicht machen, damit könnte man diese Sendung nicht mehr füllen.“

Redaktionsleiter von “Diagonal“

Neben der “Musicbox“ gestaltete Michael Schrott von 1980 bis 1984 die “Funkverbindung“ auf Ö3. Diese Publikums-Sendung stieß bei den Kollegen auf Kritik. Schrott ließ den Anrufern relativ viel Raum und spielte daher nach Meinung anderer Ö3-Redakteure zu wenig Musik.

1984 startete der Musicboxler Wolfgang Kos die Sendung “Diagonal - Sendung für Zeitgenossen“ auf Ö1, bei der Michael Schrott von Anfang an mit dabei war. Sein größter Erfolg war die Reihe “Italienische Reisen - Goethe 1786 - Schrott 1986“, die noch in der “Musicbox“ zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. Schrott arbeitete ein halbes Jahr daran und bekam dafür den Andreas-Reischek-Preis. Bis 1990 arbeitet Michael Schrott weiterhin für die “Musicbox“, danach konzentriert er sich als Redaktionsleiter ganz auf die Sendung “Diagonal“.