Die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts
Kriegserklärung an Serbien
Der Erste Weltkrieg war die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Begonnen hat er vor 90 Jahren, am 28. Juli 1914. Was als regionaler Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien anfing, entwickelte sich zu einem Weltbrand, der 10 Millionen Tote fordern sollte.
8. April 2017, 21:58
Am 28. Juli 1914 hat mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien - genau ein Monat nach der Ermordung von Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo - der Erste Weltkrieg begonnen. Tage später erklärte das mit Österreich verbündete Deutschland Frankreich und Russland den Krieg und marschierte im neutralen Belgien ein.
Daraufhin trat England in den Krieg ein. Im August 1914 befinden sich die europäischen Großmächte im Krieg: Österreich-Ungarn und Deutschland auf der einen, Russland, Frankreich und Großbritannien auf der anderen Seite. Mit dem Kriegseintritt der USA zugunsten der Alliierten im April 1917 wird - was als vergleichsweise kleiner Konflikt begonnen hat - endgültig zu einem Weltkrieg.
Erstmals Massenheere
Dieser Krieg unterscheidet sich wesentlich von früheren militärischen Auseinandersetzungen. Zum ersten Mal treten Massenheere gegeneinander an. Alle Großmächte schicken Millionen Soldaten an die Front. Es kommt zu einer bisher nie da gewesenen Technifizierung: Maschinengewehre und besonders die moderne Artillerie richten verheerende Zerstörungen an.
Allein in Verdun, einem kleinen Ort an der Maas, sterben 360.000 Franzosen und 335.000 Deutsche. Die Westfront verändert sich seit Herbst 1914 vier Jahre lang kaum, die Soldaten stehen einander in einem aufreibenden Stellungskrieg gegenüber.
Front-Grenzen verschwimmen
Modern am Ersten Weltkrieg ist auch, dass die Grenze zwischen Militärfront und Heimatfront verschwimmt. Die Zivilbevölkerung wird in bisher unbekanntem Maß in den Dienst der Kriegswirtschaft gestellt. In Deutschland sind 50 Prozent der Beschäftigten in den Rüstungsbetrieben Frauen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges sind verheerend, es kommt zur Verarmung von Millionen Menschen, vor allem in der Mittelschicht.
Nach der Niederlage der Mittelmächte glaubt man sich in Deutschland um den Sieg betrogen, man ruft nach Revanche. Österreich-Ungarn erleidet nicht nur eine Niederlage, die Donaumonarchie bricht auseinander. In beiden Ländern gibt es völlige Demoralisierung, Massenarbeitslosigkeit, Seuchen und Hyper-Inflation.
Hitlers Nährboden
Das bietet den Nährboden für Politiker, die mit primitiven Rezepten Rettung und Erlösung versprechen, zum Beispiel für Adolf Hitler, im Ersten Weltkrieg Meldegänger der deutschen Armee an der Westfront. Hitler wurzelt sehr stark im Erlebnis dieses Krieges.
Er zieht daraus den pathologischen Schluss, dass ein Revisionskrieg - also einer, der die Ergebnisse des Ersten Weltkriegs beseitigt - hart, konsequent und umfassend geführt werden muss, also so, wie es Europa im Zweiten Weltkrieg schmerzhaft erleben wird.
Massive Menschenrechtsverletzungen
Auch in anderer Hinsicht ist der Erste Weltkrieg Vorläufer des Zweiten. Bereits im Herbst 1914 kommt es zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch die deutsche Armee in Belgien. 4.500 belgische Zivilisten werden aus Rache für Angriffe von Freischärlern auf deutsche Soldaten erschossen.
Antisemitismus
Die Suche nach Sündenböcken für die sich abzeichnende Niederlage führt zu einem verstärkten Antisemitismus, der von der deutschen Militärführung geradezu geschürt wird. Eine nicht veröffentlichte Untersuchung ergibt allerdings, dass die deutschen Juden im Krieg tapfer gekämpft haben, ihre Verluste eher höher waren als die der Nicht-Juden.
So ist vieles, was im Zweiten Weltkrieg zur Katastrophe führt, im Ersten bereits im Ansatz vorhanden. Er ist, wie der amerikanische Historiker George Kennan festgestellt hat, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.
Mehr dazu in ORF.at und science.ORF.at
Links
Erster Weltkrieg - Wikipedia
Themenportal Erster Weltkrieg
World War One - Darstellung der BBC
Lichter aus für Lebzeiten - Literatur zum Thema ("Die Presse")
Bibliografie zum Ersten Weltkrieg ("Die Zeit")