Sandinismus in den Köpfen

Nicaragua - 25 Jahre nach der Revolution

1979 stürzten die Sandinisten die brutale Somoza-Diktatur in Nicaragua. Eines der ärmsten Länder Lateinamerikas schöpfte Hoffnung. Das Experiment ging schief - nicht zuletzt wegen massiver US-Hilfe für die "Contras". Ein Lokalaugenschein 25 Jahre danach.

Am 19. Juli 1979 begann nach dem Sturz der Somoza-Diktatur eine Revolution. Die sandinistische Befreiungsfront versuchte einen Mittelweg zwischen Sozialismus und Kapitalismus - und scheiterte. Die USA ließen in ihrem Hinterhof keine Experimente zu. Nach langem Zermürbungskrieg drohte die Wirtschaft zusammenzubrechen und die Sandinisten wurden im Jahre 1990 abgewählt.

25 Jahre später ist die Revolution nicht vergessen. An den Feierlichkeiten zum Jahrestag beteiligen sich Tausende Menschen. Unter ihnen viele, die damals noch gar nicht geboren waren. Die konservativen Regierungen haben zwar die meisten sichtbaren Spuren des Sandinismus beseitigt, doch in den Köpfen der Menschen lebt er weiter.

Teils als Erinnerung an das eigene Engagement und an konkrete Errungenschaften, wie Schulen und Gesundheitsposten in den entlegensten Dörfern, teils als Glaube an eine Utopie von der gerechteren Gesellschaft.

Sandinisten gespalten

Der greise Dichter Ernesto Cardenal hält die zehn Jahre der sandinistischen Herrschaft nach wie vor für das wichtigste und schönste Ereignis der Geschichte Nicaraguas. Er hat sich aber, wie die meisten Intellektuellen, von der Parteiführung unter Daniel Ortega losgesagt. Ortega hat sich zu einem traditionellen Caudillo entwickelt, der abwechselnd mit den politischen Gegnern paktiert, um konkrete Machtquoten für sich und seine Partei zu sichern.

Sogar mit dem erzkonservativem Kardinal Miguel Obando y Bravo, einem der schärfsten Widersacher der Revolution, hat er seinen Frieden gemacht. Obando soll am Jahrestag eine Messe für die Opfer aller bewaffneten Auseinandersetzungen lesen. Ortega hat viel an Prestige verloren, seit seine Stieftochter ihm vorwarf, sie jahrelang sexuell missbraucht zu haben. Aber auch sein autoritärer Führungsstil wird zunehmend kritisiert.

Mittelalterliches Gottesbild

Cardenal und andere Befreiungstheologen glauben an die Vereinbarkeit von Christentum und Sozialismus. In christlichen Basisgemeinden wurde das Evangelium nach der Lebensrealität der Menschen ausgelegt. Kardinal Obando y Bravo, dessen Position heute stärker ist als je zuvor, hält dagegen an einem traditionellen Katholizismus mit Marienkult und Wunderglauben fest. Dieses nach Ansicht von Historikern vormoderne Christentum begünstigt die Herrschaft von autoritären Führerfiguren.

Nicaragua ist heute das ärmste Land auf dem amerikanischen Kontinent. Die Privatisierung der Staatsbetriebe und der öffentlichen Dienstleistungen haben zur Verschärfung der sozialen Gegensätze beigetragen. Daher halten ehemalige Comandantes wie Henry Ruiz oder Dora María Téllez die Prinzipien der Revolution für weiterhin gültig. Dort, wo die Menschen gelernt haben, sich zu organisieren und für ihre Rechte einzutreten, so meint die ehemalige Gesundheitsministerin Téllez, sei die Revolution noch immer lebendig.