Vergeblicher Freiheitskampf
Das "Sonnenland"
Seit Urzeiten galt das Ostufer des Schwarzen Meers samt Hinterland als gesegnetes, reiches Land. Hier liegt Abchasien, das sich seit 1992 als souveräner Staat sieht, völkerrechtlich aber eine autonome Region Georgiens ist.
8. April 2017, 21:58
Abchasien liegt am östlichen Ende des Schwarzen Meeres, ist gut doppelt so groß wie das Burgenland und betrachtet sich seit August 1992 als unabhängigen, souveränen Staat. Von der internationalen Staatengemeinschaft wird Abchasien jedoch nicht anerkannt: Völkerrechtlich gesehen gilt Abchasien als autonome Region Georgiens.
Eine Art Waffenstillstand
Zumindest auf politischer Ebene scheint seither eine Art Waffenstillstand zu herrschen - nur in der Grenzregion am Fluss Inguri wurde bis vor kurzem noch gekämpft: Partisanen und Freischärler der einen wie der anderen Seite verbreiteten Angst und Terror und trugen das Ihre dazu bei, die ehemals reichste Provinz am Schwarzen Meer in bittere Armut zu drängen.
ber es gibt einen Hoffnungsschimmer: der erwartete wirtschaftliche Boom anlässlich von Olympia 2014 in Sotschi auf der anderen Seite der Grenze wird etwas für die ?arme Verwandtschaft? in Abchasien abwerfen. Immerhin sind die Berge, auf denen Schi gefahren werden soll, nicht mal 50 km von Sotschi entfernt. Letzte Woche verlautete in der "Nesawissimaja Gaseta", dass Russland mehrere Hundert Millionen Dollar in die Entwicklung der Baustoffindustrie Abchasiens investieren will.
Neue Zement- und Ziegelsteinfabriken zur Versorgung der Olympia-Baustellen in Sotschi sollen gebaut werden, verkündete Abchasiens Außenminister Sergej Schamba. Und : Abchasien würde sich natürlich sehr freuen, Gäste der Spiele bei sich unterzubringen ? in den berühmten Badeorten Gagra, Pitsunda, Mjussera, Gudauta und Suchumi, die unter anderem mit GUS-Geldern renoviert werden.
Damit ist allerdings der nächste Konflikt in der Region vorprogrammiert, denn unmittelbar darauf, am 26. Juli, erklärte Georgiens Parlamentschefin Nino Burdschanadse, dass Russland ist nicht berechtigt wäre, ?das Territorium Abchasiens ohne Abstimmung mit Tiflis in die Vorbereitungen auf die Olympischen Winterspiele 2014 einzubeziehen.
Wenn es darum geht, dass Russland ohne Zustimmung der offiziellen Behörden in die Herstellung einer Infrastruktur für Olympia-2014 investieren wird, so werden wir Russland daran erinnern, dass Abchasien ein Territorium des souveränen Staates Georgien ist", betonte Burdschanadse. "Wenn Russland diese Investitionen fortsetzen wird, so werden die Spiele in Sotschi das Schicksal der Moskauer Olympiade teilen." Die 22. Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau waren von den USA und führenden westlichen Ländern nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan im Dezember 1979 boykottiert worden. Also jede Menge Ärger in der Zukunft. Die abchasische Vergangenheit ist allerdings auch nicht ohne
Aia, das Sonnenland
Seit uralten Zeiten galt das Ostufer des Schwarzen Meers samt seinem Hinterland als gesegnetes, reiches und gastfreundliches Land. Aia, Sonnenland, hieß es, als die griechischen Geschwister Helle (die dem Hellespont ihren Namen gab) und Phrixon eine neue Heimat suchten - auf dem Rücken jenes goldenen Widders, dessen Fell als "Goldenes Vlies" begehrtes Beutestück wurde und doch nur ein Symbol für die vielfältigen Reichtümer des Landes war: goldgelber Honig, duftende Früchte, Flachs und Leinen, Getreide, aber auch Teer, Silber und Gold.
Das antike Kolchis hatte seinen Namen vom fruchtbaren Schwemmland der Flüsse Inguri und Rioni und war seit dem 6. Jahrhundert vor Christus Handelspartner der Griechen. Römer, Byzantiner und Türken beherrschten die Region, 1810 wurde Abchasien russisch.
Vertreibung der Abchasen
In den nun folgenden Jahren wurden die Abchasen zum ersten Mal gezielt von ihren angestammten Gründen vertrieben: Das Land wurde gebraucht, um Generäle, hochrangige Beamte und verdiente Soldaten im Namen des Zaren zu belohnen.
Im Jahr 1893 lobte der Weltkongress der Ärzte die Stadt Suchumi als einen der klimatisch besten Kurorte weltweit, was den Rang der abchasischen Küste als begehrtestem Sommerparadies der Zarenzeit - und auch später unter den Sowjets - etablierte.
Wertewandel bei den Jungen
Trotz aller politischen Wirren gelang es den Abchasen, ihre traditionelle Lebensweise, die von einem starken Familienzusammenhalt geprägt ist, aufrecht zu erhalten - bis zu jenem fatalen Krieg 1992/93. Seither wendet sich die junge Generation bewusst von der Familie ab und den Werten der europäisch-nordamerikanischen Konsumgesellschaft zu.
Georgi Gulia, ein bekennender Abchase
Es ist eine Entwicklung, die der international bekannte Autor Fasil Iskander 1989 im letzten Band seiner "Tschegemer Geschichten" vorausgesehen hatte.
Als Georgi Gulia - übrigens einer der wenigen Autoren, der sich wie Iskander schon in der Sowjetzeit nicht als Georgier, sondern als Abchase bezeichnete! - seine Satire "Hochzeit auf Abchasisch" schrieb, war von diesen Tendenzen noch nichts zu ahnen. Aber damals war auch der Gedanke an ein unabhängiges Abchasien noch strafbar.
Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 2. August 2007, 11:40 Uhr
Link
Wikipedia - Abchasien