Kleinbetriebe tauschen ihre Mitarbeiter aus

Die Zuckerbäcker-Connection

Große Unternehmen haben längst gute Geschäftskontakte mit den EU-Beitrittsländern. Nicht so Kleinfirmen. Eine Ausnahme ist ein steirischer Zuckerbäcker. Er ist auf das Angebot eines Zuckerbäckers aus Westpolen eingegangen.

Statements von Adam Sowa und Siegfried Macher

Gute Geschäftskontakte großer österreichischer Unternehmen zu den neuen EU-Ländern in Ost- und Südosteuropa gibt es schon lange. Für Klein-und Mittelbetriebe ist das Neuland. Ohne Scheuklappen ist ein Zuckerbäcker aus einer steirischen Kleinstadt auf das Angebot eines Zuckerbäckers aus Westpolen eingegangen. Er hat sich den Betrieb angesehen und hat Mitarbeiter mit dem polnischen Unternehmer ausgetauscht.

Zuckerbäcker sucht Zuckerbäcker

Im Extrazimmer seiner Cafe-Konditorei in Bruck an der Mur erzählt der steirische Unternehmer Siegfried Macher, wie alles angefangen hat:

“Anfang des Jahres flattert ein Brief von der Innung ins Haus, ein polnischer Zuckerbäcker sucht einen österreichischen Partner, will Erfahrung und Mitarbeiter austauschen. Mir hat diese Idee gut gefallen. Ich habe mir den Betrieb in Bydgoszcs angeschaut und war restlos beeindruckt von der Organisation und der Qualität. Rund 200 Mitarbeiter arbeiten dort rund um die Uhr in drei Schichten."

"Der Chef hat Recht"

Die Konditorei Macher in Bruck ist im Gegensatz dazu ein alt eingesessener Familienbetrieb mit etwa 20 Mitarbeitern. Nächstes Jahr feiert die Firma das 100-Jahr-Jubiläum. Produziert werden Trüffel, Schokolade und natürlich Torten. In der 14.000 Einwohner zählenden Kleinstadt sehen viele die EU-Erweiterung ziemlich kritisch, und Polen ist weit weg.

Wie war die Reaktion seiner Mitarbeiter, als der Kleinunternehmer ihnen mitteilte, dass polnische Kollegen für eine Woche nach Bruck kommen werden, und er anschließend zwei seiner Mitarbeiter nach Polen schicken will? Macher dazu:

“Anfangs waren sie ein bisschen skeptisch. Sie haben sich aber überzeugen lassen, dass es gut ist, zu sehen, wie andere Betriebe arbeiten und gaben mir Recht."

Das Unternehmen Sowa

Das Unternehmen Sowa in Bydgoszcs, Westpolen, ist seit dem Ende der kommunistischen Herrschaft im Jahr 1989 rasch gewachsen. Damals waren es fünf Mitarbeiter und der Seniorchef. Der Juniorchef Adam Sowa hat vorsichtshalber auch den Beruf des Elektroingenieurs gelernt, zu unsicher war in KP-Zeiten, mit einem eigenen Betrieb überleben zu können. Heute hat die Firma zehn Filialen und liefert in einem Umkreis von 200 Kilometern Torten und Konditorware.

Die Schnupperwochen

Herr Tarek und Herr Marek, beide langjährige Mitarbeiter des polnischen Unternehmens, sind mit ihrem Chef nach Bruck an der Mur gekommen. Der Backstubenleiter der Firma Macher, Herr Christian, schulte die beiden in den Betrieb ein. Nach der Schnupperwoche fuhren er und der Teig-Spezialist, Herr Werner, gemeinsam mit den polnischen Kollegen nach Bydgoszcs.

Nach seiner Rückkehr erzählte Herr Christian, wie gut ausgestattet der polnische Betrieb ist und wie rationell er arbeitet. Allerdings: Die Zutaten schmeckten etwas anders als zu Hause, und für die Macher-Torte konnten die beiden Brucker nicht die geschälten, fein geriebenen Haselnüsse auftreiben. Dennoch: Herr Christian konnte der Zusammenarbeit etwas abgewinnen, aber: "Arbeiten rund um die Uhr, das kann ich mir nur schwer vorstellen."

Das weitere Austauschprogramm

Über weitere Pläne der Zusammenarbeit sagt Adam Sowa:

"Wir beabsichtigen, einen Österreicher-Tag in Bydgoszcs zu machen, an dem wir österreichische Kuchen und Backwaren anbieten. Umgekehrt planen wir auch in Bruck, polnische Back-Tage mit polnischen Speisen abzuhalten."

Austauschängste

Unter Österreichs Zuckerbäckern ist Siegfried Macher einer der Ersten, der mit einem EU-Beitrittsland Mitarbeiter ausgetauscht hat. Viel hängt von der Eigeninitiative ab, sagt die Innung. Und in Wien gibt man zu, dass ein solcher Austausch gar nicht vorangetrieben wird. Da spielen viele Dinge mit: Vorbehalte gegenüber den Leistungen der Partner, die Frage, ob die Qualität stimmt und auch die generelle - bisher unbegründete Sorge - von Ost-Arbeitskräften überschwemmt zu werden, letztlich auch die geografische Distanz.

"Mit offenen Augen durch die Welt"

Siegfried Macher, der ebenso wie Adam Sowa seinen Mitarbeitern diese Schnupperlehre in Sachen europäischer Backstube finanziert hat, findet jedenfalls seine Vorreiterrolle überhaupt nicht ungewöhnlich. Er nennt es, "mit offenen Augen durch die Welt gehen". Und er freut sich über die erstaunten Reaktionen seiner Freunde und Bekannten, wenn er von Polen erzählt. Und in einer Kleinstadt wie Bruck hat sein Wort Gewicht:

"Solche Dinge sind selbstverständlich. Wenn man modern denkt, muss man solche Kooperationen annehmen, sie sind fast eine Verpflichtung. Man kann dabei nur profitieren, ich jedenfalls habe davon profitiert."

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