Mel Gibsons Religions-Opus
Die Passion Christi
Der vielleicht umstrittenste Film des Jahres steht vor seiner Österreichpremiere: Mel Gibsons Jesus-Film "Die Passion Christi", der die letzten zwölf Stunden im Leben Jesu schildert. Die Kritik reagierte mehrheitlich skeptisch bis ablehnend.
8. April 2017, 21:58
Den Titel "Passion" trägt der Film jedenfalls zu Recht: Es ist eine blutige Leidensgeschichte, die Regisseur Gibson hier zwischen dem Garten Gethsemane und der (angedeuteten) Auferstehung vorführt. Die drastische Bebilderung von Folter und Misshandlung, illustriert mit allen Tricks zeitgemäßer Maskentechnik lässt die Heilsbotschaft des Evangeliums nur in sekundenkurzen Rückblenden zu Wort kommen.
Wenn Christus (Jim Caviezel) zuletzt mit ausgerenkter Schulter und aus tausend Wunden blutend am Kreuz hängt, dann beweist das freilich nicht viel mehr, als dass die römische Kreuzigung eine besonders qualvolle Art der Hinrichtung war. Hatte man das nicht auch vorher schon gewusst?
Amerikanische Kamera
So authentisch sich der - aramäisch und lateinisch gesprochene und untertitelte - Film auf der Tonebene auch gibt, die Kamera spricht, wie das die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" formuliert hat, "reinstes Amerikanisch": Da akzentuieren Zeitlupenaufnahmen, fast wie im Italowestern, jede geschlagene Wunde, lässt undifferenzierte Typenzeichnung und antisemitische Assoziationen zumindest zu, und da unterlegt Gibson seinem - so der Kritiker der "Zeit" - "kalifornischen Splatter-Movie" musikalisch jene Mischung aus chorgestütztem Pathos und rhythmischem Ethno-Sound, der seit dem Erfolg des "Gladiator"-Films zu den unabdingbaren Zutaten antiker Stoffe zu gehören scheint.
Zurück zu den Anfängen
Vom Konzept her markiert diese pure Illustration biblischer Texte einen Rückschritt zu den Anfängen der Filmgeschichte. Schon die allerersten stummen Bibelfilme aus dem späten 19.Jahrhundert zeigten nichts anderes als nachgestellte Bibelszenen nach Art naiver Passionsspiele, und der erste Jesus-Film der Tonfilm-Ära, der französische Film "Das Kreuz von Golgatha" aus dem Jahr 1934, hielt sich viel darauf zugute, ausschließlich Worte der Bibel wiedergegeben zu haben.
Was wollte Gibson?
Und so bleibt denn auch weitgehend unklar, was Gibson, privat bekennender Katholik am rechten Rand des religiösen Spektrums, mit diesem aus eigener Tasche finanzierten Film im Grunde wollte. Weder legt er, wie etwa Pier Paolo Pasolini in seinem "Matthäus-Evangelium" den Schwerpunkt auf die soziale Sprengkraft des Evangeliums, noch stellt er, wie Martin Scorsese in seiner "Letzten Versuchung Christi" den Menschen Jesus in den Mittelpunkt.
Auch die Wirkung Jesu auf seine Zeitgenossen, wie sie selbst vergleichsweise naive Antik-Filme wie "Ben Hur" oder "Barrabas" am Rande thematisiert hatten, bleibt hier ausgespart. Eine "bluttriefende Gewaltorgie von verblüffender Schlichtheit" hat der "Spiegel" Mel Gibsons Film genannt. Zur Leidensgeschichte könnten diese zwei Kinostunden für den Betrachter werden. Ob das so gemeint gewesen war?
Antisemitisch oder nicht?
"Ich bin erschüttert, aber weniger vom Inhalt des Filmes als von seiner Blutrünstigkeit und Verantwortungslosigkeit", so die erste Reaktion des Oberrabbiners Paul Chaim Eisenberg nach einer Vorführung von "Die Passion Christi" vor Vertretern der Glaubensgemeinschaften Österreichs, die am Mittwoch, in Wien stattfand.
Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls hat Mel Gibsons Jesusfilm "The Passion of the Christ" gegen den Vorwurf des Antisemitismus in Schutz genommen. Wenn der Streifen "antisemitisch wäre, dann wären es auch die Evangelien", so Navarro einem Interview in der italienischen Tageszeitung "Il Messaggero". Weiters meinte er, das Schweigen des Papstes zu diesem Werk sei "sehr beredt".
Mehr dazu in religion.ORF.at
Die Passion Christi
(The Passion of the Christ)
USA, 2004
mit: James Caviezel, Monica Bellucci, Maia Morgenstern, Luca Lionello
Drehbuch und Regie: Mel Gibson
TV-Tipps
"Bei Stöckl" am 12. März, um 23:05 Uhr in ORF 2:
Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg über Mel Gibsons "Passion Christi"
"Orientierung" am 14. März, 12:30 Uhr, ORF 2:
Mel Gibson spricht in einem ORF-Exklusivinterview über sein umstrittenes Kino-Epos
"Treffpunkt Kultur" am 22. März, 22:30 Uhr, ORF 2:
Reaktionen der Österreicherinnen und Österreicher auf "The Passion of Christ"
In vier Sendungen stellt "kreuz&quer" als Vorbereitung auf das Osterfest und im Vergleich zu Gibsons Film das gesamte Leben, das öffentliche Wirken und Leiden Jesu vor. Der "kreuz&quer"-Schwerpunkt beginnt am Dienstag, dem 16. März, um 23:05 Uhr in ORF 2.
"philosophicum" am Dienstag, dem 23. März, um 23:05 Uhr in ORF 2 stellt unter dem Titel "Von Golgotha nach Hollywood: Mit Jesus leiden?" einen Vergleich zwischen dem von Mel Gibson dargestellten Leiden mit dem in den Evangelien überlieferten und von der Theologie reflektierten Leiden Jesu an.