Die Symphonien von Egon Wellesz

Imaginäre Heimat mit symphonischen Mitteln

In "Zeit-Ton" ist diesmal Musik von Egon Wellesz zu hören, die zwischen 1967 und 1971 entstand. In der Nachkriegszeit schuf sich der Komponist mit symphonischen Mitteln eine imaginäre Heimat. Die ORF-CD-Edition trägt Wesentliches zur Wiederentdeckung von Wellesz bei.

Man muss nur die Untertitel lesen, um die lebensentscheidenden Demarkationslinien zu erahnen - die 4. Symphonie mit dem Untertitel "Sinfonia Austriaca", die 5. Symphonie trägt die Bezeichnung "The English":

Die Rede ist von Egon Wellesz und den Aufnahmen seiner Symphonien durch das RSO-Wien mit Gottfried Rabl ist diesmal die Ausgabe der Sendereihe "Zeit-Ton" gewidmet. Das ursprünglich geplante Thema musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Zeitlose Musik

"Continental Britons" heißt in beziehungsvoller Paradoxie die Ausstellung im "Jüdischen Museum Wien", die zur Zeit den Komponisten Egon Wellesz und Hans Gal gewidmet ist. Von England ist diesmal also die Rede, aber auch vom Österreich der Zeit vor den Nationalsozialisten, von unterbrochenen, wenn nicht zerstörten Karrieren, von einer seltsamen Paarung von Anerkennung und Erfolglosigkeit in den Nachkriegsjahren. Und all dies anhand einer Musik von merkwürdiger Zeitlosigkeit.

Besser gesagt: Von merkwürdiger Beziehungslosigkeit zu jener Zeit, in der sie entstand und auch uraufgeführt wurde. Die meiste Musik von Egon Wellesz, die in dieser Sendung zu hören ist, entstand zwischen 1967 und 1971. Und doch würde man das schwerlich durch bloßes Hören erraten können.

Eine Art imaginäre Heimat

Die "Sinfonia Austriaca" hat Egon Wellesz zwischen 1951 und 1953 in England komponiert. Allein schon, dass der Untertitel lateinisch ist, verrät viel über die Art der Beziehung zu seiner alten Heimat. Es ist ganz bewusst nicht der Versuch, musikalisch in ein gegenwärtiges Österreich der 50er Jahre zurückzukehren, noch weniger der Versuch, im damals zeitgenössischen Österreich anzudocken. Stattdessen schafft sich Wellesz mit symphonischen Mitteln eine Art imaginäre Heimat. Und zwar eine Heimat, die als in die Gegenwart übersetzte Erinnerung auch nicht mehr zerstörbar ist.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Gattung der Symphonie zu einer der bestimmenden Gattungen des letzten Lebensdrittels dieses Komponisten wurde: Mehr als in Kammermusik und selbst mehr als in der in seinen jungen Jahren so erfolgreich bestrittenen Gattung Oper konnte Wellesz in der konzertanten Königsdisziplin das Essentielle ausdrücken. Und als solche verstand Egon Wellesz die Tradition der Symphonie, insbesondere der Wiener Symphonie von Beethoven bis Mahler.

ORF-CD für "MIDEM Classical Award" nominiert

Der ORF trägt einiges zur Wiederentdeckung von Egon Wellesz bei: So entsteht seit Jahren eine CD-Edition aller Symphonien, interpretiert durch das Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung des Wellesz-Spezialisten Gottfried Rabl. Zwei CDs liegen mit den Symphonien 4, 6, und 7 sowie 2 und 9 liegen bereits vor.

Anlass für diese erneute Würdigung dieser CDs ist eine Nominierung: Im Rahmen der einzig großen internationale Messe der klassischen, romantischen und neuen Musik, der "MIDEM" in Cannes, wird alljährlich der "Cannes Classical Award" vergeben, eine der renommiertesten Auszeichnungen im Bereich Medien und Klassik. Und 2004 schaffte es das RSO-Wien in der Kategorie "Orchestral and Concerts CD Premiere" mit diesen Einspielungen der Wellesz-Symphonien eine von drei nominierten CD-Veröffentlichungen zu sein. Auch ohne zum Sieger gekürt worden zu sein ist es eine eindrucksvolle Bestätigung für diese verdienstvolle Arbeit.

Mehr über die ORF-Wellesz-Edition in oe1.ORF.at

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