Hörer des Wortes
Der Anstifter des Denkens
Vieles, was dieser unermüdlich produktive Theologe gedacht, gesagt und geschrieben hat, ist heute zur Selbstverständlichkeit der christlichen Glaubensüberzeugung geworden und zum unverrückbaren Maßstab der katholischen Theologie.
8. April 2017, 21:58
Der Theologe Karl Rahner
Karl Rahner zählt zu den größten Theologen des 20. Jahrhunderts - ein Mann, klein an Gestalt und riesig in der Tiefenwirkung.
Der Name des 1984 verstorbenen Jesuiten ist untrennbar mit seinem Wirken an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Innsbruck verbunden. Aus ganz Europa strömten interessierte Studenten zu Rahner, um von ihm, dem maßgeblichen Wegbereiter einer modernen zeitgenössischen Theologie zu lernen. Manche von ihnen wurden selbst einflussreiche und fruchtbare Denker, wie etwa der Dogmatiker und Dekan der Innsbrucker Fakultät, Raymund Schwager, der vorige Woche überraschend gestorben ist.
Karl Rahner war in der Zeit von 1960 bis 1965 offizieller päpstlicher Fachtheologe des Zweiten Vatikanischen Konzils und machte ihn auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Umfangreiches Werk
Über 3.500 Arbeiten umfasst sein Schriftwerk, in dem er sich immer wieder mit der Erfahrung in der modernen Welt beschäftigt. Sein bis heute bekanntestes Werk ist der "Grundkurs des Glaubens". Vor allem die Bücher "Geist in Welt", Hörer des Wortes" und "Von der Not und Segen des Gebetes" machten Rahner schlagartig einem breiten Publikum bekannt. In seinen theologischen Studien fanden auch moderne philosophische Vorstellungen Eingang wie zum Beispiel die Existenzphilosophie Martin Heideggers.
Mit Rahner vollzieht sich in der Theologie eine sogenannte anthropozentrische Wende. Die Theologie holt hier die moderne Wende zum Subjekt nach, übersteigt sie aber auch: Der Mensch selbst gerät in den Mittelpunkt des theologischen Denkens.
Traditionelle Wurzeln
Von den Kirchenvätern bis zu den Modernen theologischen Aufbrüchen im 20.Jahrhundert - alles ist in Rahners Denken präsent und wird mitbedacht. Geprägt von der ignatianischen Frömmigkeitstradition der Jesuiten ist Rahner überzeugt, dass Gott unmittelbar mit seinem Geschöpf, dem Menschen, handelt. Der Mensch ist ein Wesen der Transzendenz, er ist wie Rahner sagt "Geist in Welt", ekstatisch in die Welt ausgespannt. Deshalb muss er horchen. Er ist "Hörer des Wortes" und steht als solcher immer vor dem freien Gott einer möglichen Offenbarung.
Einzigartigkeit des Christentums
Für seinen Begriff des anonymen Christen wurde er von den einen als zu humanistisch und von den anderen als totalitär vereinnahmend kritisiert. Rahner aber wollte damit sagen, dass Nichtchristen sich ihres Christ-Seins noch nicht bewusst seien: "Wer sein Dasein, also seine Menschheit annimmt in schweigender Geduld als das Geheimnis, das in sich das Geheimnis ewiger Liebe birgt und im Schoß des Todes das leben trägt, der sagt auch, wenn er es nicht weiß, zu Jesus Christus ja."
Enttäuschter Reformer
Dem Konzilstheologen Rahner ist es zu verdanken, dass das Zweite Vaticanum der Kirche den Weg in das 21. Jahrhundert zeigte. Doch er, der sich zeitlebens für eine menschlichere Kirche einsetzte, konnte in seinen letzten Lebensjahren seine Enttäuschung über die innerkirchliche Situation und mangelnden Reformwillen nicht verhehlen. Und Rahner scheute sich auch nicht vor deutlichen Worten, wenn er mit lehramtlichen Entscheidungen unzufrieden war.
Karl Rahner begeisterte sich für die lateinamerikanische Befreiungstheologie, stand im Dialog mit Atheisten. Er kämpfte für die Rehabilitierung des damals noch verurteilten Galileo Galileis und forderte für die Naturwissenschaften einen methodologischen Atheismus.
Legendär ist Karl Rahners Ausspruch, in dem sich seine klare Vision einer zukünftigen lebendigen Kirche wiederfindet: "Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein."
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Buch-Tipp
Rahners Schüler, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Bischof Karl Lehmann, hat kürzlich zusammen mit Albert Raffelt ein "Karl-Rahner-Lesebuch" herausgegeben. Als Auswahlband des Rahner'schen Oeuvres bietet es einen hervorragenden Überblick in sein theologisches Denken. (Verlag Herder, 2004, ISBN 3451283085)
Hör-Tipp
Karl Rahner zum Nachhören gibt es auf einer soeben im Grünewald-Verlag Mainz erschienenen Audiocassette, mit einem Mitschnitt des Wiener Vortrags "Warum ich Christ bin".