Bericht über einen internationalen Protozoologen-Kongress

Winzlinge im Visier der Wissenschaft

Als Ausgangstoff für neuartige UV-Sonnenschutzmittel, als Garanten für das ökologische Gleichgewicht oder als Erreger gefährlicher Krankheiten wie der Malaria - die ungeheuer vielseitigen Einzeller sind die heimlichen Herrscher der Welt.

Der Einzellerforscher Wilhelm Foissner über Mikroorganismen

Sie sind Tausendsassa - die mit freiem Auge meist nicht sichtbaren Winzlinge. Sie jagen und fressen einander, sie vergiften ihre Beute, vermehren sich, werden krank und können genesen. Und sie treten in den bizarrsten Formen auf, zum Beispiel als Tonnen, Vasen oder als Wurm.

Die Einzeller (Protozoen) leben in Flüssen, Seen, Böden, Tieren und Menschen. Sie sind oft weder Tiere noch Pflanzen oder beides zugleich.

Einzeller als Krankheitserreger

Mit einem einzigen Schluck Wasser können wir bis zu 50 Einzeller in uns aufnehmen. An die 70 Einzellerarten können einen Menschen besiedeln. Äußerst gefährlich sind sie als Erreger von Krankheiten wie der Malaria oder der Toxoplasmose bei Schwangeren- mit fatalen Folgen für das Ungeborene.

Gefährlich werden die an sich harmlose Einzeller im Körper auch bei Immunschwäche (verhängnisvoll bei AIDS). Nützlich hingegen sind Einzeller als Bewohner der menschlichen Mundhöhle, wo sie Bakterien fressen.

Einzeller als Bioindikatoren

Wechseltierchen, Wimpertierchen und Geißeltierchen gehören zu den ältesten Organismen der Erde und haben sich seit Hunderten Jahrmillionen kaum verändert. Sie erlauben so einen Blick zurück in die Evolution.

Als Bioindikatoren sind Wimpertierchen heute von großer praktischer Bedeutung, zum Beispiel zur Bestimmung der Gewässergüte.

Wimpertierchen als Sonnenschutzmittel

In der Symbiose mit Algen könnten Wimpertierchen sogar als Ausgangstoff für neuartige UV-Sonnenschutzmittel dienen. Die Innsbrucker Ökologin Bettina Sonntag erforscht Wimpertierchen in Tiroler Seen, die Algen mit integrierten Sonnenschutzsubstanzen in sich aufnehmen und so neben guter Nahrung auch einen perfekten Sonnenschutz bekommen.

In Australien wird daran gearbeitet, diese Erkenntnisse für die Produktion des ersten biologischen Sonnenschutzes für Menschen nutzbar zu machen.

Einzeller beeinflussen das Genom von Bakterien

Interessant sind auch die ausgeklügelten Strategien der Einzeller in der Räuber-Beute-Beziehung. Der Innsbrucker Zoologe Thomas Posch beobachtet, wie sich Bakterien durch den Fraßdruck der Einzeller verändern.

So wächst zum Beispiel ein Bakterium - im Kampf ums Überleben - auf das Hundertfache seiner ursprünglichen Größe heran, um sich zu schützen. Es gibt Hinweise, dass der Fraßdruck sogar zu genetischen Veränderungen der Bakterien führt.

Modellorganismus Einzeller

Enorme Bedeutung haben Einzeller auch für die biotechnologische Forschung. Immerhin wurden wichtige Mechanismen (z. B. wie die RNA als Enzym wirkt) an Einzellern entdeckt. Erst durch diese Entdeckung wurden die Voraussetzungen für den Boom der Gentechnik geschaffen.

Einzeller dienen als Modellorganismen und bieten auch eine Alternative zu Tierversuchen.