Eine Frau räumt auf

Mein Leben als Minenräumerin

Sie ist 1 Meter 84 groß und blond - und die einzige deutsche Minenräumerin in den Krisengebieten der Welt. Stets ist sie die einzige Frau im Team. Über ihre Erlebnisse als Minenräumerin hat Vera Bohle nun ein Buch geschrieben.

Vera Bohle hat bei ihrer Arbeit oft Glück gehabt

Schon in der Schule hatte Vera Bohle entweder Auslandskorrespondentin oder Entwicklungshelferin werden wollen. Heute ist sie die einzige Deutsche, die in Krisengebieten Minen räumt. Bis vor einem Jahr war die 34-Jährige in Afghanistan.

In Herat schulte sie zunächst afghanische Minenräumer, wie man Streubomben aufspürt und entschärft. Danach war sie beim UN-Mine Action Center in Kabul landesweit zuständig für Ausbildung, Koordination und technische Standards. Über ihre Erlebnisse hat sie nun ein Buch geschrieben.

Frau mit Männerjob

"Mein Leben als Minenräumerin" ist die Geschichte einer mutigen Frau. Präzise und lebendig schildert die Autorin darin ihre Motive für die ungewöhnliche Berufswahl und erzählt wie es ist, als Frau in einem Männerjob mit einem Männerteam in einem islamischen Land zu arbeiten.

"Für Frauen gab es bei der UN die Regel, dass man nicht allein auf die Straße gehen durfte", erzählt sie. "Man musste immer in Begleitung von zwei männlichen Kollegen gehen. Und man durfte kein Auto fahren. Das hat natürlich die Freiheit in einer Weise eingeschränkt, wie ich es überhaupt nicht gewöhnt bin. "

Schweißtreibend und gefährlich

Wer Vera Bohles Buch liest, versteht schnell, dass der Job nicht nur gefährlich ist. Minenräumen ist auch schweißtreibend und langwierig. Anstrengend nicht allein durch die Gefahr, die unter der Erde lauert: Oft arbeitet Vera Bohle 14 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.

Ihr Blick ist auf den Boden gerichtet. Sie bewegt sich im Schneckentempo, vorsichtig setzt sie einen Fuß vor den anderen, eine falsche Bewegung kann ihr das Leben kosten. In der prallen Sonne unter dem Schutzanzug rinnt ihr der Schweiß in Strömen am Rücken hinab. Der Kreislauf sackt ab - und dann lässt die Konzentration nach.

"Man kann das nicht ewig machen", weiß sie. "Weil sich irgendwann Routine einstellt, und wenn sich Routine einstellt, passieren Unfälle."

"Räumen ist nicht genug"

Mosambik und Simbabwe, Albanien, Bosnien und Kosovo und zuletzt eben Afghanistan sind Vera Bohles bisherige Stationen als Minenräumerin. Ihre Familie und Freunde sieht sie in dieser Zeit höchstens für drei Wochen im Jahr. Trotzdem tut sie ihre Arbeit gern, sie hat das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun.

Ihr ist es wichtig, dass auf politischer Ebene etwas passiert. "Mit Räumung allein löst man das Problem nicht. Es muss weiter dafür gekämpft werden, dass Minen verboten werden, dass nicht zehn neue produziert werden, wenn man gerade eine vernichtet hat."

Skurrile Anekdoten

60 Länder der Welt sind mit Minen verseucht. Allein in Afghanistan wurden 50 verschiedene Minentypen gefunden. Vera Bohle geht in ihrem Buch auf die politischen Hintergründe ein, erzählt aber auch manch skurrile Anekdote aus ihren Einsätzen: wenn etwa beim Räumen eines afghanischen Munitionslagers die Männer des Dorfes sich erst einmal ausgiebig um das Haschischdepot kümmern. Erst als dieses geplündert ist, sind sie bereit, bei der Beseitigung der Munition Hand anzulegen.

Glück gehabt

Nüchterner werden Vera Bohles Schilderungen, wenn es um die Tücke ihrer eigentlichen Objekte geht: zum Beispiel um Minen, die so wenig Metallgehalt haben, dass die Detektoren der Minenräumer sie nicht orten können. Wöchentlich ereignen sich mehr als 40 Unfälle.

Sie selbst hatte Glück. In ihrem Buch übt sie aber offen Selbstkritik: Immer öfter ertappte sie sich dabei, wie sie unter dem hohen Arbeitspensum und dem enormen Zeitdruck die gewohnten Sicherheitsregeln missachtete.

"Es waren ein paar Situationen, wo mir im Nachhinein klar war, dass ich einfach nur Glück gehabt habe, dass es genauso gut ich hätte sein können, der jetzt irgendwo auf der Trage liegt."

Beraterin in Genf

Vera Bohle beschloss, ihren Vertrag nicht zu verlängern. Im Dezember 2002 kehrte sie nach Deutschland zurück. Angebote, im Irak Minen zu räumen, lehnt sie - vorerst - ab.

Zur Zeit lebt sie in Genf. Dort ist sie für das Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung als Beraterin tätig. Im Auftrag der Vereinten Nationen hält sie bei Abrüstungskonferenzen Vorträge, in denen sie Diplomaten ihre praktischen Erfahrungen in der Minenräumung vermittelt. Sie sieht darin eine wichtige Aufgabe.

Buch-Tipp
Vera Bohle, "Mein Leben als Minenräumerin", Krüger Verlag, ISBN 3810502553