Die Stadt in der alle Sünden vergeben werden
Benares - die heilige Stadt am Ganges
Langgestreckt zieht sich die Stadt Benares rund 5 km am nördlichen Ufer des Ganges entlang. Es ist eine besondere Stadt: den Hindus ist sie so heilig wie Jerusalem den Gläubigen der Abrahamsreligionen heilig ist.
8. April 2017, 21:58
Mit eineinhalb Millionen Einwohner ist Benares eine Kleinstadt, verglichen mit Megacities wie Mumbai oder Kolkatta. Der offizielle Name der Stadt ist Varanasi, Stadt zwischen den beiden Flüssen Varuna und Assi.
Doch Benares hat viele andere Namen: Kashi, Stadt des Lichts; oder Anandavana, Garten der himmlischen Glückseligkeit, oder auch Adimuktheschvar. Denn wer hierher kommt, kann endgültig aus dem Kreislauf von Geburt und Tod erlöst werden.
Die Stadt in der alle Sünden vergeben werden
Benares, so heißt es, ist ein Wohnsitz des Gottes Shiva. Die Hindus stellen ihn oft als Asketen dar, mit langem verfilzten Haar, den Körper mit Asche von den Leichenverbrennungsplätzen beschmiert. Er trägt einen Dreizack, eine Rasseltrommel und eine Bettelschale.
Die Hindus erzählen über Shiva und die Stadt Benares viele Geschichten. Eine davon geht so:
"Einmal wurde Shiva verflucht, denn er hatte einem Brahmanen mit der Hand den Kopf abgeschlagen, doch der Kopf blieb an seiner Hand kleben. Er versuchte alles mögliche, doch dann erfuhr er: weil er den Kopf eines Brahmanen abgeschlagen hatte, musste er für diese Tat bestraft werden. Zur Buße sollte er 12 Jahre lang ein Leben als Asket und Bettler führen, dann würde er befreit werden. Also begann Shiva sein Leben als Asket. Und so wird er in manchen Bildern auch dargestellt, als großer Asket. Schließlich kam er nach Kashi oder Varanasi. Seine zwölfjährige Bußzeit war vorüber, und plötzlich fiel der Kopf von seiner Hand. Und weil selbst der Gott Shiva hier von seiner Sünde erlöst wurde, glaubt man, dass wenn man irgendeine Sünde begangen hat, dass man hier davon erlöst wird. Man muss nur ein Band im Ganges nehmen, dann wird man von allen Sünden in diesem und den früheren Leben erlöst werden. Oder man kann auch nur einen Tropfen Gangeswasser auf die Zunge nehmen, um von allen Sünden erlöst zu werden".
"Brennende Stiegen"
Eindrucksvoll sind die sogenannten "burning ghats". Ghat nennt man die steilen Stiegen, die von der Stadt zum Ufer des Ganges hinunter führen. An zwei dieser Ghats werden die Toten verbrannt, die aus einem Umkreis von 500 km und manchmal von noch weiter her nach Varanasi gebracht werden. Denn wer hier rituell verbrannt wird, der wird nicht mehr wiedergeboren und geht direkt in den Zustand der Befreiung ein.
An den §burning ghats§ dürfen nur Dhom, Angehörige einer Kaste der Unberührbaren arbeiten. Das Feuer geht hier nie aus; zwischen 100 und 150 Leichen werden hier in 24 Stunden verbrannt.
Gemeinsame Kulturen
Die Stadt Benares lebt aber nicht nur von Pilgern, sondern auch von der Seidenweberei. Die Weber in der heiligen Stadt der Hindus sind Muslime, die hier seit gut 1000 Jahren ansässig sind und die speziellen Web-Muster aus Afghanistan und dem Iran mitgebracht haben.
Die Geschichte der Stadt Benares erzählt von der gemeinsamen Kultur und Lebenswelt von Hindus und Muslimen, die durch fast ein ganzes Jahrtausend in der Gangesebene entstanden ist. Hier lebte zum Beispiel auch im 15. Jahrhundert der Dichter und Mystiker Kabir, der für Muslime und Hindus gleichermaßen wichtig ist.
Heute freilich stört die Politik der fundamentalistischen Hindus dieses friedliche Zusammenleben. Und während Hindu-Politiker über die "Hinduisierung" Indiens reden, zerfallen in Benares die Denkmäler traditioneller indischer Kultur, weil es weder Gesetze noch Geld für deren Erhaltung gibt.