Was die Köpergröße über eine Gesellschaft aussagt
Tall is beautiful
Wirtschaftshistoriker der Universität München haben herausgefunden, dass die Körpergröße der Menschen das Wohlergehen einer Gesellschaft widerspiegelt. Je gesünder ein Gemeinwesen, desto größer sind die darin lebenden Menschen.
8. April 2017, 21:58
Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist der deutsche Mann um durchschnittlich 18 Zentimetern gewachsen. Besonders an Größe zugelegt haben in diesem Zeitraum auch die Japaner, und die Südeuropäer holen gegenüber den Nordeuropäern auf.
Größe zählt
"Die herkömmlichen Indikatoren für Wohlstand wie das Bruttosozialprodukt oder das Pro-Kopf-Einkommen sagen nicht sehr viel aus", sagt John Komlos, Wirtschaftshistoriker an der Universität München.
"Das Bruttosozialprodukt sagt zum Beispiel nichts darüber aus, wie das Einkommen in einer Gesellschaft verteilt ist. Oder wie weit sich die Mitglieder einer Gesellschaft wohlfühlen. Darum zieht John Komlos seit mehr als 20 Jahren die Körpergröße des Menschen zu Rate, um Aussagen über das Wohlergehen einer Gesellschaft treffen zu können.
Der Amerikaner ungarischer Abstammung forscht nach Daten, in denen die Körpergröße festgehalten ist - zum Beispiel in Musterungslisten des Militärs oder in Karteien von Gefängnissen.
Die Körpergröße ist Zyklen unterworfen
Skelettfunde zeigen, dass unsere steinzeitlichen Vorfahren vor rund 16 000 Jahren 179 Zentimeter groß waren - zumindest, was die Männer betrifft. Als zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Klima Europas etwas abkühlte und Nahrungsmittel schwerer verfügbar waren, schrumpften die Menschen auf etwa 161 Zentimeter, wie Funde aus Frankreich belegen.
"Wir haben zum Beispiel früher nicht gewusst, dass es im Bereich der Körpergröße des Menschen Zyklen gibt, ähnlich den Wirtschaftszyklen. Zum Beispiel waren die Menschen während der industriellen Revolution etwas kleiner als in den Jahrzehnten davor, weil sich auch die Lebensbedingungen für die Arbeiter verschlechtert haben, die Nahrungsmittel waren teuer".
Holländer und Skandinavier sind Größen-Weltmeister
Gegenwärtig sind die Holländer und Skandinavier die durchschnittlich größten Menschen der Welt, sagt John Komlos. "Bis zum Zweiten Weltkrieg waren die Amerikaner die größten. Weil sie diesen Status verloren haben, können wir auch die Errungenschaften der Wohlfahrtstaaten westeuropäischen Zuschnitts in neuem Licht bewerten", sagt Komlos.
Größenverhältnisse in Deutschland und Österreich
Auch zu den Körpergrößen der Ost- und Westdeutschen hat der Wirtschaftshistoriker interessante Daten vorzuweisen: In beiden Staaten ging es sowohl wirtschaftlich als auch in puncto Körpergröße bergauf. Bei den Ossis allerdings ein bisschen langsamer als bei den Wessis. Zur Zeit der Wiedervereinigung waren die Westdeutschen im Durchschnitt zwei bis drei Zentimeter größer. Doch zehn Jahre nach der Wende waren sie bereits gleich groß.
Was die Körpergröße der Österreicher betrifft, so sind die Wiener im Durchschnitt am größten. Nun, wie groß der Mensch theoretisch werden kann, darüber gibt es von den Biologen noch keine einheitlichen Aussagen. Aber die meisten Forscher sind sich einig, dass bei einer entsprechenden Entwicklung des Wohlstands unsere Enkelkinder unsere Kinder überragen werden.