Simbabwe: Ein Land in Agonie
Nachrichten aus einem Totenhaus
Die Wirtschaft schrumpft, die Zahl der AIDS-Kranken steigt, die politische Repression wird immer unerträglicher: Unter Robert Mugabe, der am 21. Februar 80 Jahre alt wird, ist das einstige Musterland im Süden Afrikas zur Elendszone geworden.
8. April 2017, 21:58
Einst galt Robert Gabriel Mugabe als Vorzeigepolitiker, als einer der fähigsten afrikanischen Staatsmänner. In den vergangenen Jahren allerdings hat der Unabhängigkeitsführer und Präsident von Simbabwe nur negative Schlagzeilen gemacht.
Um an der Macht zu bleiben, hat er das ehemalige Südrhodesien in den Ruin getrieben. Millionen hungern in der einstigen Kornkammer des südlichen Afrika. Und mit dem Austritt aus dem Commonwealth hat sich Mugabe, der am 21. Februar 80 Jahre alt wird, international isoliert.
Politischer Widerstand brutal unterdrückt
Simbabwe ist ein Land in der Agonie: ausgeliefert wenigen Mächtigen der Regierungspartei Zanu-PF, die politischen Widerstand (wie jenen der Oppositionspartei MDC) brutal unterdrücken und, Hyänen gleich, letzte Ressourcen plündern. Simbabwische Journalisten dürfen künftig nicht ohne die Genehmigung einer staatlichen Medienkontrolle arbeiten.
Die Inflation von bald tausend Prozent pulverisiert Renten und Geldanlagen, derweil Zanu-PF-Größen ihren exklusiven Zugang zu billigen Devisen in pompöse Paläste ummünzen.
Arbeitslosigkeit 80 Prozent
80 Prozent aller Simbabwer sind arbeitslos; die meisten Lehrer, Ärzte und Ingenieure haben das Land verlassen; der Tourismus ist zusammengebrochen, ebenso Afrikas dereinst bestes Gesundheitswesen.
Bulawayo, Simbabwe. Ein abendlicher Gedenkgottesdienst in der katholischen Kathedrale. Nur noch hier, unter dem Schutz der Kirche, dürfen Simbabwer die Wahrheit sagen über das, was in ihrem Land geschieht - über das, was auch ihnen persönlich geschieht.
Greueltaten
Der Zeugenbericht einer Frau bringt erschreckendes zu Tage: "Die jungen Leute von der Zanu-PF kamen um elf Uhr abends. 'Komm raus', riefen sie meinem Mann durch die geschlossene Tür zu, 'wir wollen Dich MDC-Schwein fertig machen.' Mein Mann bat mich, Licht zu machen, und sagte: 'Lass mich gehen. Dann sterbe vielleicht ich, aber nicht du und die Kinder.' Als er die Tür öffnete, legten sie ihm sofort Handschellen an. Mich schlugen sie, urinierten alle zusammen in einen Eimer und zwangen mich, den Inhalt zu trinken. Während der nächsten Tage suchte ich überall nach meinem Mann - vergeblich. Am Donnerstag nach seinem Verschwinden kam dann abends um neun mein Schwager und sagte mir, dass er tot sei."
Millionen ohne Zuhause
500.000 vertriebene Farmarbeiter und deren Familien in Simbabwe, über zwei Millionen Menschen also, haben gar nichts mehr, keine Arbeit, kein Zuhause. Zehntausende haben von ihrem letzten Geld Utensilien zum Goldschürfen gekauft: Schaufel, Sieb, Chemikalien.
Nun zerfressen sie wie Termiten die Uferböschungen Gold führender Flüsse wie des Usumgwani, vernichten mit Zyanid reiche Fischbestände. Hungernde und allerlei Geschäftemacher plündern überdies die Nationalparks des Landes.
Gesundheitssystem zusammengebrochen
Es gibt wenige Orte in Simbabwe, an denen Schwerkranke noch Hilfe bekommen. Einer dieser Orte ist das St. Lukes-Hospital 140 Kilometer nördlich von Bulawayo. Ein katholisches Missionskrankenhaus.
In der Ambulanz warten rund hundert Patienten - Frauen in geblümten Kleidern, Männer mit Schlips und Stock, dem Zeichen ihrer Würde. Im Rollstuhl eine erschreckend hohlwangige, bis auf die Knochen abgemagerte junge Frau - in einem blütenweißen Kleid.
"Sterben ist hier an der Tagesordnung"
Chefarzt Hans Schales, der 30 Jahre lang ein deutsches Krankenhaus leitete, nimmt kein Blatt vor den Mund: "Die meisten Frauen sterben hier zwischen 18 und 30 Jahren. Sehr junge Frauen, die ein, zwei Kinder haben. Oft stirbt die Mutter hier. Die Kinder bleiben uns zurück. Wir müssen sie betreuen, bis die Angehörigen sie nach Hause holen."
Auch auf der Männerstation liegt ein Großteil der Patienten im Sterben: "Sterben ist hier an der Tagesordnung, und die Mitpatienten sind das gewöhnt", so Schales. "Wir hier können Aids-Patienten nur symptomatisch behandeln", so Schales, "mit Infusionen gegen Durchfälle, mit der Operation von Abszessen, mit Antibiotika gegen Lungenentzündungen und Tuberkulose. An antiretrovirale Medikamente denken wir nicht einmal."
Großer Andrang auf Missions-Krankenhaus
Immerhin: Dank tatkräftiger Unterstützung durch das deutsche katholische Hilfswerk "Misereor" und einen von Schales Kindern gegründeten Förderverein kann das Krankenhaus seine 250 stationären Patienten ernähren; das Labor, Röntgen- und Ultraschallgeräte funktionieren; die nötigsten Medikamente sind vorhanden.
Der Andrang jedoch, sagt Schales mit besorgter Miene, werde immer größer - insbesondere seit das staatliche Zentralkrankenhaus Mpilo in Bulawayo praktisch geschlossen ist.
Links
Misereor - Hilfswerk
Zimbabwe Independent
NGO-Allianz für Simbabwe
MDC - Opposition
Zanu-PF - Regierungspartei
Simbabwe - CIA World Factbook