"Die Hausfront sah aus wie ein Nudelsieb"
12. Februar 1934
Am Donnerstag jährt sich der Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen republikanischem Schutzbund und Heimwehr zum 70. Mal. Wo liegen die Ursachen des Konflikts, wieso brachen die Kämpfe aus und mit welchen Folgen?
8. April 2017, 21:58
Am 12. Februar 1934 bricht in Österreich ein Bürgerkrieg zwischen republikanischem Schutzbund einerseits, Heimwehr, Militär und Polizei andererseits aus. Die Bilanz nach vier Tagen: Hunderte Verletzte, vermutlich 1000 Todesopfer und acht Hinrichtungen von Sozialdemokraten.
Die Ursachen
"Die unmittelbaren Ursachen liegen in der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 und der Sozialdemokratie aus allen Bereichen der Gesellschaft", sagt der Politologe und Historiker Walter Manoschek.
Das politische System nach Ende des 1. Weltkrieges war überaus instabil. Die Weltwirtschaftskrise, die durch den Zusammenbruch der Creditanstalt über Österreich hereinbrach, brachte es vollends in Wanken. Es gab ein Heer von Arbeitslosen und 600.000 Ausgesteuerte, die nicht einmal Notstandshilfe bezogen. Dazu kam das Erstarken der Nationalsozialisten.
"Bundeskanzler Dollfuß musste davon ausgehen, dass die Nationalsozialisten bei der nächsten NR-Wahl die schwache bürgerliche Mehrheit gefährdet hätten", erklärt Manoschek, "er handelte daher nicht aus demokratischen, sondern machtpolitischen Überlegungen."
Der Anlass
Als die Polizei am 12. Februar das Arbeiterheim Hotel Schiff in Linz durchsucht, leistet der Schutzbund bewaffneten Widerstand - Anlass für den Ausbruch der Kämpfe. Die Parteileitung der SDAP in Wien beschließt nach einigem Zögern die Mobilisierung des Schutzbundes und die Ausrufung des Generalstreiks, der aber nur partiell funktioniert.
Die Kämpfe greifen auf Wien und die Bundesländer über. Die Regierung verhängt das Standrecht, setzt Gendarmerie, Polizei und Bundesheer ein. An der Niederwerfung der Aufstände beteiligen sich auch die christlich-sozialen Heimwehrverbände.
Die Kämpfe um den Karl-Marx-Hof
In Wien konzentrieren sich die Kämpfe auf die Symbole des Roten Wien - auf Gemeindebauten und Arbeiterheime. "Die Heimwehr kam mit offenen Lastwägen", erinnert sich der damals 7-jährige Kurt Treml an ihre Rufe: "zickezackezickezacke-hoihoihoi".
Treml wohnt im Karl-Marx-Hof und hat gerade seine Schulaufgaben gemacht, als die Schiesserei losgeht: "Die Hausfront sah aus wie ein Nudelsieb." Die Beschießung durch schwere Waffen des Bundesheeres zwingt die Schutzbündler am 15. aufzugeben.
Die Kämpfe in der Obersteiermark
Zwei Tage lang sitzt der 1915 geborene Schutzbündler Fritz Inkret in Leoben in der Todeszelle. Er ist bei Gefechten um die Gösser Murbrücke festgenommen worden. Glückliche Zufälle bewahren ihn vor der Hinrichtung.
In der Zelle trifft er auf den sozialdemokratischen Nationalratsabgeordneten und Schutzbundführer Kolomann Wallisch. Unter dessen Führung hatte der Schutzbund in Bruck/ Mur am 12. Februar die Macht übernommen. Auf seinen Kopf waren 5000 Schilling ausgesetzt - Wallisch wurde verraten und zum Tode verurteilt. Vor der Zelle von Fritz Inkret nahm er Abschied von seiner Frau: "Paula, sei tapfer!" seien seine letzten Worte an sie gewesen.
Die Konsequenzen
Als unmittelbare Konsequenz wird die Sozialdemokratie verboten, ein Großteil der Führer geht ins Exil. Es folgen nationalsozialistische Terroranschläge, der Putschversuch illegaler Nationalsozialisten am 25. Juli und die Ermordung Dollfuß'. Vier Jahre später, 1938 wird der "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland vollzogen.
Mehr dazu in Ö1 Inforadio und ORF.at.
Tipp
Ein Schwerpunktprogramm zu den Ereignissen des Februar 1934 präsentiert das Filmarchiv Austria vom 12. bis 15. Februar im Metro Kino.