Experimentelles Theater im Berlin der 20er Jahre
Brecht & Piscator
Bertolt Brecht und Erwin Piscator gelten als Gründer des epischen Theaters. Anhand einiger ihrer epochemachenden Inszenierungen wird im Österreichischen Theatermuseum die Entstehungsphase des epischen Theaters im Berlin der 20er Jahre gezeigt.
8. April 2017, 21:58
Bertolt Brecht über das Theater, eine historische Aufnahme aus den 50er Jahren
Nichts weniger als die Veränderung der Welt wollten Brecht und Piscator mit ihrem epischen Theater erreichen. Ihr politisches Ziel war die Aktivierung des Zuschauers, er sollte gerade im Theater die entscheidenden Impulse für ein aktives Umgestalten der Welt und ihrer sozialen Missstände erhalten. Nicht nur die Oberfläche, sondern auch die Bedingungen und Ursachen wollten sie auf die Bühne bringen.
Neue Medien nützen
In den 20er Jahren veränderte sich auch die Wirklichkeit sehr schnell, neue Transportmedien, neue Kommunikationsmedien und neue audiovisuelle Medien wie der Film hielten Einzug, wie der Kurator Michael Schwaiger ausführt:
"Piscator und Brecht gehörten zu den Künstlern, die sofort reagiert haben, um diese Entwicklung für ihre Kunst nutzbar zu machen. Piscator war ein Praktiker, der sehr viel von den epischen Stilmitteln am Theater ausprobiert hat, bevor Brecht seine Theorie entwickelt hat. Brecht hat sehr viele Anregungen von Piscator bekommen. Er war ja auch bei drei Inszenierungen Dramaturg der Piscator-Bühne."
Unterschiedliche Herangehensweisen
Interessant ist wie unterschiedlich Brecht und Piscator die Medien für sich einsetzten. Während Piscator die Idee eines hochtechnisierten Totaltheaters auch durch den Einsatz von Film vorschwebte, setzte Brecht der Piscator-Bühne ein einfaches Podium gegenüber und zog sich auf die ursprünglichsten Elemente des Theaters zurück. Schnell veränderbare Versatzstücke, die immer als solche erkennbar bleiben, sollten auf die Gemachtheit sozialer Verhältnisse und auf deren Veränderbarkeit hinweisen, sichtbare Lichtquellen, Bildtafeln und ein halbhoher Vorhang die Illusion durchbrechen.
Diese unterschiedliche Herangehensweise wird durch die Ausstellungsarchitektur unterstrichen. Durch den roten Vorraum gelangt man links durch eine Glastür in den dunklen Piscator-Raum, rechts in den hellen Brecht-Raum. Fotos, Bühnenmodelle, kaum bekanntes Filmmaterial und Tondokumente vermitteln ein lebendiges Bild.
Aspekte und Inszenierungen
Die Ausstellung im Österreichischen Theatermuseum will nicht das Theater Piscators und Brechts in seiner Gesamtheit zeigen. man beschränkt sich auf bestimmte Aspekte und Inszenierungen. Im Piscator-Raum dominiert etwa die Inszenierung "Rasputin, die Romanovs, der Krieg und das Volk, das gegen sie aufstand", das 1927 auf der Piscatorbühne in Berlin uraufgeführt wurde, und wo Piscators berühmte Globusbühne zum Einsatz kam, eine an mehreren Stellen durchbrochene Halbkugel.
Die Piscator-Bühne musste aus finanziellen Gründen geschlossen werden, Piscator selbst übersiedelte 1931 in die Sowjetunion, wo er den Film "Aufstand der Fischer" drehte.
Tipps
"Brecht & Piscator - Experimentelles Theater im Berlin der 20er Jahre", bis zum 12. April im Österreichischen Theatermuseum.
Ö1 Club-Mitglieder erhalten im Theatermuseum 25 Prozent Ermäßigung.
Im Rahmenprogramm liest Erich Schleyer aus Piscators Tagebuchaufzeichnungen, Andrea Jonasson interpretiert Kurt-Weill-Texte und -Songs, und bei einer Tagung des Instituts für Theaterwissenschaft werden unter anderem Wolfgang Greisenegger und Kurt Palm über Brecht, Piscator und die gegenwärtige Theaterpraxis sprechen.
Eine Filmschau des Film Archiv Austria mit dem Titel "Kunst heißt morgen Politik" begleitet die Ausstellung im Februar. Im Metrokino werden einerseits Filmarbeiten von Brecht und Piscator gezeigt, aber auch filmische Dokumente zur Theaterinszenierung von "Mann ist Mann" aus dem Jahr 1931 und Dokumentarmaterial zum Brecht-Seminar 1976.
Ö1 Club-Mitglieder erhalten im Film Archiv Austria 30 Prozent Ermäßigung.
Links
Österreichisches Theatermuseum
Film Archiv Austria