oder die Auferstehung des Adalbert Stifter
Der Schnitt durch die Kehle
Mit Werken wie "Bunte Steine" und "Der Nachsommer" ist Adalbert Stifter längst ein fixer Bestandteil der Literaturgeschichte. Viel weniger ist über sein Leben bekannt, eine Tatsache, der Regisseur Kurt Palm nun mit seinem Filmporträt entgegenwirken möchte.
8. April 2017, 21:58
Kurt Palm ist fasziniert von Stifters Krankentagebuch
Adalbert Stifter, der Naturdichter, der in der Landschaft sowie in der Tier- und Blumenwelt sein Heil suchte. Mit diesem Bild des Autors kann der österreichische Regisseur Kurt Palm nichts anfangen. Vielmehr versucht sein Film "Der Schnitt durch die Kehle oder die Auferstehung des Adalbert Stifter" ein Stifter-Bild abseits literaturgeschichtlicher Gewohnheit zu zeichnen.
Palm setzt auf ein bewusst subjektives Stifter-Image jenseits des Klischees vom biedemeierlich-romantischen Autor. Es sind die menschlichen Abgründe, die Kurt Palm am meisten interessieren.
Palm kommentiert
Die Subjektivität verbirgt Kurt Palm auch in der Machart des Films keineswegs. Im Gegenteil, er forciert sie, indem er meist selbst vor der Kamera steht und an den wichtigen Orten des Lebens und Wirkens von Stifter aus dessen Werk rezitiert oder biografische Details kommentiert. Da wird Stifters Liebe zu seiner Jugendgefährtin Fanny Greipl genauso durchleuchtet wie sein Hang zum unmäßigem Essen und Trinken oder der Selbstmord seiner Ziehtochter Juliana.
Manische Selbstbeobachtung
Die Literatur Stifters tritt in diesem Porträt eindeutig in den Hintergrund. Erheiternd bis unheimlich aber wirken Stifters akribische Tagebuchaufzeichnungen über Essen und seinen jeweiligen Gesundheitszustand. Seitenweise Dokumente der manischen Selbstbeobachtung:
28 April 1864: Ausgezeichnet aufgestanden. Viel Verdruss mit der Frau. Suppe, Rindfleisch, Taube, Spargel - sehr sehr gut. Spazierfahrt eine Stunde - sehr gut. Abends sehr gut. Nacht ziemlich unruhig und ängstlich. Ärger schuld daran?
Depressionen bekämpft ein Mann mit Alkohol!
Freilich lässt Kurt Palm auch Experten zu Wort kommen, nicht nur Germanisten wie den Salzburger Literaturprofessor Hans Höller, sondern auch den Pathologen Prof. Hans Bankl. Für Stifters Jahreskonsum von 600 Litern Wein hat er eine Erklärung: "Depressionen bekämpft ein Mann mit Alkohol!"
Und dass Stifter daran litt, ist für Bankl schon an seiner Physiognomie erkennbar: "Großer runder Kopf und Körper, runder Bauch, diese Menschen neigen zu manisch-depressivem Verhalten", so die Diagnose.
Der Schnitt durch die Kehle oder die Auferstehung des Adalbert Stifter
Dokumentation
Österreich, 2003
Regie: Kurt Palm