ORF-CD-Edition mit allen Wellesz-Symphonien

Egon Wellesz - ein wiederentdeckter Symphoniker

Als Komponist zählte Egon Wellesz einst zu den wichtigsten Vertretern zeitgenössischer Musik. Zur Wiederentdeckung seines Werks, in der Nazi-Zeit als "entartet" verboten, trägt der ORF mit einer CD-Edition aller Wellesz-Symphonien bei.

Das umfangreiche kompositorische Oeuvre des Emigranten Egon Wellesz, der durch die Machtübernahme der Nazis endgültig heimatlos wird und aus rassischen und politischen Gründen gezwungen ist, nach Oxford ins Exil zu fliehen, steht nach 1945 fast gänzlich unter dem Thema des Verlustes der Heimat, der persönlichen wie der kompositorischen: Als Hauptwerke dieser Spätphase müssen neben Kammermusik, Liedern und bedeutenden Werken für Soli, Chor und Orchester die eindrucksvollen neun Symphonien gelten.

Verlorene Heimat - eine Neuerschaffung

Die Hinwendung zu einer so nachhaltig von der österreichischen Tradition beeinflussten Gattung ist zweifellos in Wellesz' Versuch begründet, sich seine verlorene Heimat wenigstens musikalisch wieder neu zu erschaffen.

In den Symphonien zu hören

Das ist besonders deutlich in diesem symphonischen Oeuvre zu hören: In den Symphonien 1 bis 5 verbindet der Komponist die eigene musikalische Handschrift mit den symphonischen Lösungen eines Schubert, Bruckner und Mahler bis hin zu den Errungenschaften seines Lehrers Schönberg. Die im Gegensatz zu den früheren Symphonien auf einen anderen Ton gestimmte, teilweise in Zwölftontechnik komponierte Fünfte ist hier zum einen Endpunkt einer Entwicklung, zum andern jedoch Beginn von etwas ganz Neuem: Denn mit der darauf folgenden sechsten Symphonie findet Wellesz unwiderruflich "die ihm gemäße symphonische Sprache", wie er rückblickend formuliert.

Wellesz' "Altersstil"

In allen weiteren Werken entwickelt er dann diesen von ihm selbst so bezeichneten "Altersstil" bis zur höchsten Perfektion. Merkmale dieser Tonsprache sind die blockhafte, expressive Kompositionsweise, die frei angewandte Atonalität, die große Intervalle bevorzugende Melodik, die immer dünner werdende Textur und im Zusammenhang damit die immer größere Sparsamkeit in der Instrumentation.

Wiederentdeckung des Wellesz-Oeuvres

Für die in den letzten Jahren vermehrt einsetzende Wiederentdeckung des Komponisten Wellesz sind nicht nur die Initiativen seiner Musikverlage oder die unermüdliche Arbeit des vor kurzem gegründeten "Egon-Wellesz-Fonds bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien" verantwortlich.

ORF-CD-Edition: Ein bedeutender Beitrag

Auch der ORF darf sich rühmen, hier Wesentliches beigetragen zu haben und weiter beizutragen: Nicht nur hat das Radio-Symphonieorchester Wien unter dem Dirigat von Ulf Schirmer vor knapp einem Jahr die frühe Suite für Orchester op. 16 90 Jahre nach ihrer Entstehung im Goldenen Saal des Musikvereins erfolgreich aus der Taufe gehoben, es beschäftigt sich - diesmal unter Leitung des Wellesz-Spezialisten Gottfried Rabl - auch seit mehreren Jahren mit der Gesamteinspielung aller Symphonien des Meisters auf vier Compact Disks.

Erste zwei CDs in "Apropos Klassik"

Die ersten zwei CDs (mit den Symphonien 4, 6, 7 sowie 2 und 9) sind bereits erschienen und haben ein ungeheuer positives Presse-Echo ausgelöst. Die dritte CD steht kurz vor der Veröffentlichung und bis zum Sommer sollte das wichtige Projekt abgeschlossen sein. Vorgestellt werden die bereits käuflich zu erwerbenden CDs von Gustav Danzinger in "Apropos Klassik" am 26. Jänner sowie am 9. und 23. Februar.

Ausstellung und RSO-Konzert

Ende Februar beginnt ferner die große Ausstellung "Continental Britons - Musik des Aufbruchs: Hans Gál und Egon Wellesz" des Jüdischen Museums Wien, an der sich wieder das Radio-Symphonieorchester Wien (RSO) mit einem Begleitkonzert beteiligt: Am 24. März dirigiert Gottfried Rabl im RadioKulturhaus neben den Symphonischen Stücken "Prosperos Beschwörungen" die Uraufführung (!) des Opus 2 von Wellesz, den Symphonischen Prolog "Heldensang" für großes Orchester. Im zweiten Teil des Abends erklingt dann das Violinkonzert von Gál mit Benjamin Schmid und Bertrand de Billy.