Auf der Suche nach neuen Behandlungsformen
Stress- oder Hitzeschockproteine
Der menschliche Organismus wird durch virale und bakterielle Infektionen oder durch Verletzungen ebenso unter Stress gesetzt wie durch UV-Licht. Durch die Bildung von Hitzeschockproteinen versucht der Körper eine Schadensbegrenzung.
8. April 2017, 21:58
Die beiden Pathophysiologien Kurt Zatloukal und Georg Wick über Hitzeschockproteine
Als Transplantationschirurgen die Beobachtung machten, dass man Spenderorgane vor einem Zelluntergang schützen und damit länger in transplantierbarem Zustand halten kann, wenn man die Organe vorrübergehend einem Hitzestress aussetzt - da wusste man noch relativ wenig von jenen Eiweißen, die Organismen vor allem dann bilden, wenn sie unter Stress geraten. Noch viel weniger wusste man darüber, dass diese Proteine - die nicht nur vom menschlichen Organismus, sondern auch von Mikroorganismen wie Bakterien gebildet werden - eine Rolle bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen spielen.
Hitzeschockproteine: Sonnenbrand ade?
Die Hitzeschockproteine wurden entdeckt, als man Zellen einer so hohen Temperatur aussetzte, die sie gerade noch überlebten. Die Zellen wurden dadurch extrem geschädigt und bildeten Proteine, um sich vor der Hitze zu schützen. Daher der Name Hitzschockproteine.
Auch die extreme Einwirkung von UV-Licht bedeutet für den Körper Stress. Nun konnte an der Wiener Universitätshautklinik gezeigt werden, dass die von Hornhautzellen gebildeten Hitzschockproteine die Haut lichtunempfindlicher machen. "Entzieht" man der Haut die Hitzeschockproteine und setzt man sie dann ultraviolettem Licht aus, so sterben die Hautzellen schneller.
Vermehrt man hingegen die Hitzeschockproteine in den Hornhautzellen, dann werden sie widerstandfähiger. Nun will man versuchen, diese Erkenntnisse therapeutisch um zu setzen, denn eine vermehrte Bildung von Hitzeschockproteinen könnte möglicherweise Schutz vor Hautkrebs bieten. Aber noch weiß man nicht, wie man am besten die Bildung von Hitzeschockproteinen anregt ohne auf anderer Ebene nachteilige Auswirkungen zu haben.
Hitzeschockproteine: Schnupfenviren ade?
Es war ein Zufallsbefund, als Wissenschafter des Instituts für Medizinische Biochemie der Universität Wien entdeckten, dass eine bestimmte Substanz, mit der sich Schnupfenviren abtöten lassen auch die Bildung von Hitzeschockproteinen anregt.
Nun muss man herausfinden, ob es überhaupt die Substanz selbst ist, die antiviral wirkt oder ob die Wirkung nicht vielmehr von den Hitzeschockproteinen ausgeht, die als Reaktion auf das "Schnupfenmittel" gebildet werden.
Wo Nutzen und Schaden eng bei einander liegen
Dass auch bei der Arteriosklerose Hitzeschockproteine beteiligt sind, das hat der Innsbrucker Pathophysiologe Georg Wick als einer der ersten nachgewiesen. Wenn sich in den Gefäßen Ablagerungen bilden, dann bedeutet dies für die Gefäßzellen Stress und sie bilden - um sich zu schützen - Stress- oder Hitzeschockproteine.
Andererseits hat der menschliche Organismus im Zuge von bakteriellen oder viralen Infektionen immer wieder Kontakt mit den Stressproteinen dieser Mikroorganismen. Und da kann es passieren - so Georg Wick - dass unser Körper die körpereigenen Stressproteine fälschlicherweise für fremde hält und eine Autoimmunreaktion auslöst (körpereigene Strukturen angreift).
Vielfältige Rolle, in den unterschiedlichsten Bereichen
Nach Georg Wick gibt es eine hochsignifikante Korrelation zwischen der Anzahl der Infektionen, die man im Leben durchmacht und dem Risiko eine Arteriosklerose zu entwickeln. Und die Hitzeschockproteine spielen dabei eine entscheidendere Rolle als erhöhte Cholesterinwerte, meint der Innsbrucker Pathophysiologe.
Die neuen Erkenntnisse über die Hitzeschockproteine könnten in unterschiedlichen medizinischen Bereichen zu neuen Therapieansätzen und Behandlungsmöglichkeiten führen: so arbeitet Christoph Aufricht an der Wiener Universitätskinderklinik an der Entwicklung schonenderer Blutwäsche-Verfahren nach Nierenversagen. So zeigen jedenfalls erste Versuche, dass man die Niere besser schützen kann, wenn man erreicht, dass sich vor der Dialyse (Blutwäsche) vermehrt Hitzeschockproteine bilden.