Gegenwelt der Obsessionen und der Sehnsucht
Der Weg nach Xanadu
Was motiviert einen Linzer Schriftsteller, sich auf die Spuren der Romantik zu begeben? Eine poetische Explosion vor 200 Jahren, eine leidenschaftliche Affäre und die Liebe zu den Mythen. Wilfried Steiner entführt in ein Labyrinth der Träume und in die Tiefen der Magie.
8. April 2017, 21:58
Der Linzer Schriftsteller und "Posthof"-Manager Wilfried Steiner entwirft in seinem ersten Roman "Der Weg nach Xanadu" eine sehr vielschichtige und komplexe Geschichte.
Steiners realer Ausgangspunkt ist der englische Romantiker Samuel Taylor Coleridge. Um den verzweifelten und opiumsüchtigen Dichter lässt Steiner eine fiktive Handlung der Sehnsucht und der Obsessionen kreisen.
Verstrickt in die Welt des Samuel Taylor Coleridge
So wie Wilfried Steiner verstrickt sich auch sein Protagonist, der Wiener Literaturwissenschaftler und leidenschaftliche Cremeschnittenverzehrer Alexander Markowitsch immer mehr in die Welt des englischen Romantikers Samuel Taylor Coleridge. Markowitsch hat es sich in der Routine seines universitären Alltags bereits bequem gemacht. Ein junger Mann will seine Dissertation über Coleridge schreiben. Markowitsch gilt als Kapazität auf diesem Gebiet.
Durch diesen Studenten lernt der Professor die geheimnisvolle Anna kennen, eine geheimnisvolle und faszinierende junge Frau, die Markowitschs Leben nachhaltig verändern wird. Der Weg nach Xanadu ist auch ein Buch über die Sehnsucht und das Ausloten der Gefühle.
Die Dame mit den grünen Augen
Der übergewichtige und selbstironische Professor fühlt sich von der grünäugigen Anna magisch angezogen. Kenner der Schwarzen Romantik ahnen bereits: Das kann nicht gut gehen. Grüne Augen sind ein untrügliches Zeichen für bevorstehendes Unheil, und auch Markowitschs Leben scheint aus den gewohnten Bahnen zu geraten. Schließlich inspiriert Anna, eine fast mephistophelische Gestalt, den Professor zu einer Spurensuche.
Erlesenes und Erlebtes
Der 43-jährige Linzer Autor Wilfried Steiner studierte Germanistik und Anglistik und verpackt in diesem Buch seine umfangreichen Kenntnisse der englischen Literatur, Erlesenes und Erlebtes wechseln rasch, aber nicht verwirrend ab. "Der Weg nach Xanadu" sollte kein Buch für Experten werden. Diese Gratwanderung gelingt Steiner fast immer.
Steiner entwirft ein Reich der Mythen, der Träume und der dämonischen Gedankenwelten. In einer metaphernreichen Sprache erschafft Steiner Bildwelten, ohne pathetisch zu werden.
Stätten der poetischen Explosion
Im zweiten Teil seines Debütromans folgt Wilfried Steiner Markowitschs Reise zu den Stätten des Samuel Taylor Coleridge. Der Professor besucht den Lake District, Devon und West Somerset, jene Orte, an denen Coleridges poetische Explosion vor 200 Jahren stattgefunden hat. Im Gegensatz zum durchgängig dichten ersten Teil beginnt Steiner hier ein wenig zu plaudern, doch bald hat er die Spannungselemente wieder fest im Griff.
So wie Coleridge bleibt auch Markowitsch eine traurige, sehr ambivalente Figur. Markowitsch wird im Gegensatz zu Anna zunehmend plastischer, denn Steiner stattet den Wissenschaftler mit vielen Marotten und liebenswerten Schrullen aus, ohne ihn jemals zu denunzieren.
Tragik mit Ironie
Steiners Roman ist alles andere als eine ausschließlich akademisch oder melancholische Betrachtungsweise, und dies gelingt ihm vor allem durch einen Kunstgriff: Der Tragik seiner Figuren begegnet Steiner mit ironischen Anspielungen und einer teils recht saloppen Sprache.
Dieses Buch werden all jene gerne lesen, die sich an einer essayistischen Prosa erfreuen und sich zugleich in eine Gegenwelt der Obsessionen und der Sehnsucht entführen lassen.
Buch-Tipp
Wilfried Steiner, "Der Weg nach Xanadu", Insel Verlag 2003, ISBN 3458171495