Theorien des Alterns

Mythos Altern

Altern ist eine unausweichliche Erfahrung, der niemand entkommt. Je älter wir werden, desto mehr wird Gesundheit zu einem kostbaren und oft raren Gut. Sind es unsere Gene, die uns alt und gebrechlich werden lassen, oder ist es unsere Umwelt?

Laut dem Humangenetiker Holger Höhn von der Universität Würzburg gibt es an die 300 Theorien des Alterns. Im Prinzip lassen sich diese in zwei Gruppen zusammenfassen: Die Schadenstheorien gehen davon aus, dass die Anhäufung von Schäden in der Erbsubstanz und der restlichen Zelle Ursache des Alterns ist.

Die Programmtheorien gehen von einer Art "Inneren Uhr" aus - unter anderem mit dem Argument, dass sonst verschiedene Tiergruppen nicht unterschiedlich alt werden würden.

Evolutionsbiologie und Alterstheorien

Evolutionsbiologen sind der Antwort auf die Frage, warum es überhauptein hohes Alter und damit verbunden Alterskrankheiten gibt, näher gekommen. So meinte J. B. S. Haldane im Jahr 1942, dass es keine Selektion gegen Gene geben könne, deren schädliche Wirkungen sich erst nach dem Ende des reproduktiven Alters bemerkbar machten.

Darauf aufbauend, entwarf fünfzehn Jahre später der Amerikaner George Williams seine Theorie der antagonistischen Pleiotropie. Darunter versteht man, dass Gene sich durchsetzen, wenn sie in jungen, reproduktiven Jahren Vorteile bieten - selbst dann, wenn die selben Gene für schwerste Alterskrankheiten verantwortlich sind.

Ende der 70er Jahre formulierte schließlich der Brite Thomas Kirkwood seine Disposal-soma-Hypothese, wonach Organismen ihre Energie nur entweder in die Fortpflanzung investieren können oder in die eigenen Lebensjahre.

Warum altert der Mensch?

Der Pathophysiologe Georg Wick von der Universität Innsbruck meint, das die Disposal-soma-Hypothese vor allem erklärt warum wir altern. Laut seiner Aussage ist der Daseinszweck von Mensch und Tier die Weitergabe von Genen, die Fortpflanzung. Die Zeit danach sei Luxus.

In einem sind sich die Wissenschaftler allerdings einig: es gibt kein einzelnes Gen des Lebens. Für das erreichte Alter ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren verantwortlich wie z. B. Gene und Umwelt, Ernährung, Lebensstil usw..

Gene die den Alterungsprozess positiv beeinflussen

Natürlich gibt es auch beim Menschen Gene, die unmittelbar für den Alterungsprozess mitverantwortlich sind. Im Positiven sind das sogenannte Caretaker-Gene, die die Stabilität des Genoms (also der gesamten Erbinformation DNA) überwachen und sicherstellen. Vermutlich erkennen diese Caretaker-Gene Schäden an der DNA und leiten Reparaturprozesse ein oder, falls der Schaden irreparabel ist, den programmierten Zelltod.

Gene die den Alterungsprozess negativ beeinflussen

Dass Gene auch im Negativen für den Alterungsprozess verantwortlich sind, zeigt sich, wenn diese Caretaker-Gene selbst durch Mutationen geschädigt sind. Ein in der Genetik klassisches Beispiel für die fatale Auswirkung von Mutationen in Caretaker-Genen ist das sogenannte Werner-Syndrom: Die betroffenen Menschen zeigen bereits in der Jugend Alterungserscheinungen wie Greise: die Haare ergrauen und fallen aus, die Haut wird faltig, und Wunden heilen nur noch schwer. Diabetes, Arteriosklerose und Tumore treten auf.

Als eine "überstürzte Alterung" bezeichnet der Humangenetiker Holger Höhn diesen Gen-Defekt, der auch ein Licht auf das Phänomen "Langlebigkeit" wirft und auf die Frage: Was haben 100-Jährige gemeinsam?

Die Antwort ist laut Höhn recht einfach: die Abwesenheit von schädlichen Genen, die den Menschen altern lassen.

Buch-Tipp
David Snowdon, "Lieber alt und gesund", ins Deutsche übersetzt von Maria Mill, Karl Blessing Verlag, ISBN 3896671499