Der Mond in Mythen und Sagen
Wie die Teufel den Mond schwärzten
Die dunklen Flecken des Mondes werden von den Menschen in den verschiedensten Kulturkreisen völlig unterschiedlich gedeutet. Jürgen Blunck hat nicht nur die interessantesten Erzählungen getragen, er stellt auch Zusammenhänge der Mondmythen her.
8. April 2017, 21:58
Plötzlich rückte der Mond, der Mond - der auf dem Gipfel des Berges wohnt - näher, ganz sachte, ganz behutsam, und verschlang den Geizhals Bazin. Und deswegen, meine Kinder, kann man immer, wenn der Mond ganz rot ist, dort die Gestalt eines Menschen erkennen. Das ist die Gestalt Bazins. Ja, meine Kinder. Stehlt niemals, klaut niemals auch nur irgendetwas, denn es könnte euch sonst so ergehen, wie es Bazin ergangen ist.
Das unrühmliche Ende eines Geizhalses
Der Barbier Bazin, der so geizig war, dass er sogar "ein Haar in zwei Teile zerlegt hätte, wenn er daraus einen Vorteil hätte ziehen können", musste Ende des 19. Jahrhunderts als leuchtendes Beispiel dafür herhalten, was mit einem passieren kann, wenn er stiehlt. Zumindest für viele Franzosen des Landstrichs Dauphiné war oder ist immer noch er der "Mann im Mond".
Die Deutung der Mondflecken als "männlich" ist typisch europäisch. Zum überwiegenden Teil muss man außerdem feststellen, dass es sich vor allem um "böse" oder zumindest verbannenswerte Zeitgenossen handelt.
Die Frau im Mond
Der Mann tritt übrigens gar nicht so selten auch als "Frau im Mond" auf. Die schmutzige Jungfrau im Grimm'schen Märchen der Frau Holle erweist sich beispielsweise als Allegorie auf den Mond. Der mangelnde Fleiß des gefleckten Mädchens, also des Mondes, zeigt sich darin, dass alles, was an ihr hell ist, nur ein Abglanz der strahlend hellen Schwester, also der Sonne ist, der allmonatlich bis zur gänzlichen Ruhezeit nach und nach wieder verloren geht.
Der verliebte Fuchs
Aber nicht nur Menschen tummeln sich sagenhaft am Mond. In Peru etwa erzählt man sich gerne die Geschichte vom "verliebten Fuchs":
Es war einmal ein Fuchs, der sich des nachts nicht satt sehen konnte an dem Glanz und der Schönheit der Mondfrau. Er verliebte sich bis über beide Ohren in sie. Er sann und sann und fand schließlich, schlau wie er war, einen Weg, auf dem er zum Himmel aufsteigen konnte, um sich mit ihr zu paaren. Das tat er dann auch, aber mit solcher Liebesglut, dass er ihr mit seinen heftigen Umarmungen Prellungen zufügte. Noch heute sind die Mondflecken in aller Deutlichkeit zu sehen.
Das Tier im Mond
Außerhalb Europas scheint sich das "Tier im Mond" wesentlich größerer Beliebtheit zu erfreuen, wobei der Hase an Popularität eindeutig die Nase vorne hat. Mongolen, Chinesen, Inder, Nigerianer und sogar die Hottentotten im Süden Afrikas sind sich einig, dass Meister Lampe sein Bild am Erdtrabanten verewigt hat. Im Sanskrit bedeutet das Wort "caca" ebenso Hase wie Mondflecken. Der Mond wird demnach "der den Hasen tragende" genannt.
Mythos Mond
Der Herausgeber Jürgen Blunck hat nicht nur die interessantesten Erzählungen und Deutungen aus aller Welt zusammen getragen und zum Teil erstmals übersetzt, er stellt auch auf überaus kluge Weise Zusammenhänge und Verflechtungen der Mondmythen her. Die verschiedenartige Deutung der Flecken geht auch auf die Stellung des Mondes am Himmel zurück, wie er in den unterschiedlichen Regionen der Erde erscheint.
So viele Deutungen der Mondflecken! Aber welche Sage kommt der Wahrheit am nächsten? Unsere Enkelin, der wir so viele solcher Geschichten erzählt haben, sagte uns unlängst ganz ernst, sie habe den Mond gefragt, wie seine Flecken denn wirklich entstanden seien. Er habe ihr auch eine Antwort gegeben - "aber die verrate ich euch nicht".
Buch-Tipp
Jürgen Blunck, "Wie die Teufel den Mond schwärzten. Der Mond in Mythen und Sagen", Spektrum Akademischer Verlag 2003, ISBN 3827414091