Die endgültige Sicherung der Vormachtstellung der USA

Hybris

Üblicherweise mischen sich Linguisten nicht in politische Diskurse ein, Noam Chomski schon. Dieser Mann hält jetzt seinem eigenen Land, den USA, eine Standpauke, wie man sie im Ton nur vom linken Politaufklärungsentertainer Michael Moore kennt.

Die amerikanische Gesellschaft, sagt Chomsky, definiert sich in einem hohen Maß durch wirtschaftliche Leistung. Das heißt, dass die Menschenrechte eine untergeordnete Rolle spielen, im Gegensatz zum Profit.

Wir spielen Weltpolitik

Leicht ließe er sich den linken Antiamerikanisten zuschlagen. Immerhin lautet eine zentrale These seines neuen Buches "Hybris", es gebe auf der Welt nur einen Schurkenstaat, und der sei die USA. Chomsky vereinfacht die scheinbar komplexe Weltpolitik, indem er sie als eine Art Spiel darstellt.

In diesem Spiel gibt es einen Anführer, Mitspieler, Spielverderber und Verlierer. Der Anführer bestimmt die Regeln, an die er sich selbst aber nicht halten muss. Der Anführer, das sind die USA, die mangels militärischer und wirtschaftlicher Konkurrenz die Regeln für das weltpolitische Spiel vorgeben.

Im September 2002 verkündete die Regierung Bush ihre Nationale Sicherheitsstrategie: Fortan werde man sich das Recht vorbehalten, jeder Bedrohung der auf Dauer gestellten Hegemonie der Vereinigten Staaten mit Gewalt zu begegnen.

Die amerikanische Form der Demokratie

Die Amerikaner nennen das Demokratie. Fatalerweise, findet Chomsky, denn in der amerikanischen Politik war mit Demokratie seit jeher die Entscheidungsbefugnis einer politischen Elite gemeint und nicht die Entscheidung durch das Volk.

Dieses hat zwar das Wahlrecht, politische Entscheidungen haben aber nach amerikanischem Verständnis nichts mit Konsensfindung zu tun. Demokratisch ist, was gut für Amerika ist. So lauten im Wesentlichen die Spielregel.

Die Mitspieler

Die Mitspieler sind die Freunde Amerikas. Chomsky bringt ihnen wenig Sympathie entgegen, weil er sie für Trittbrettfahrer aus Eigennutz hält. England, Italien, Spanien zählt er dazu. Dann die neuen Demokratien Osteuropas. An erster Stelle aber nennt er Israel. Chomsky, der amerikanische Jude, war nie ein Anhänger der israelischen Politik, die er als Staatsterrorismus bezeichnet.

Als Leser ist man oft ein wenig ratlos, weil Chomsky in der Tat so viele bestechende Belege für den amerikanischen Machtpoker, für Geschichtslügen und Medienmanipulationen vorlegt, um dann wiederum mit dumpfer Stammtischlogik Gut und Böse auseinanderzuhalten.

Die Spielverderber

Die Spielverderber wären noch zu nennen. Donald Rumsfeld, der amerikanische Verteidigungsminister, hat diese Gruppe einmal als "altes Europa" bezeichnet. Deutschland und Frankreich vor allem. Die Zauderer. Die, die etwas aus der Geschichte gelernt haben. Russland nicht zu vergessen. Spielverderber werden auf Linie gebracht oder bestraft, so will es die amerikanische Regel. So fällt für sie eben nichts von der irakischen Torte ab.

Selbst in etablierten Kreisen zeigt man sich besorgt, dass Amerikas imperialer Ehrgeiz auch für die eigene Bevölkerung gefährlich werden könnte. Besonders alarmiert reagierte man, als die Regierung Bush erklärte, die USA seien ein revisionistischer Staat, der die Welt auf Dauer zu beherrschen beabsichtige.

Die Verlierer

Über die Verlierer schließlich verliert man nicht viele Worte. Wenn, dann sind es Worte der Verachtung. Als Schurkenstaaten werden sie bezeichnet. Da wird nicht lange unterschieden, ob sie deswegen böse sind, weil sie tatsächlich eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellen, oder weil sie über Waffen verfügen, auf die nur die Amerikaner Anspruch haben, oder weil sie sich schlichtweg über die amerikanischen Spielregeln hinwegsetzen.

Für wen, fragt Chomsky, war der Irak eine Bedrohung - außer für den Irak selbst? Warum war der Irak jahrelang ein Schurkenstaat, dann, als der Westen gute Geschäfte mit Saddam Hussein machte, ein befreundeter Staat, und seit dem ersten Golfkrieg 1991 wieder ein Schurkenstaat? Warum ist Saudi Arabien kein Schurkenstaat, wo man doch weiß, dass der islamistische Terror dort breite Unterstützung findet, was man vom Irak nicht sagen konnte?

Die Saudis sind Geschäftspartner der Amerikaner, deshalb sind sie kein Problem, sagt Chomsky. Das Herrscherhaus garantiert, dass das Geld aus dem Ölhandel nicht im eigenen Land investiert wird, sondern in London und New York. Damit ist das Problem erledigt.

Die Schlacht um Macht

Für Noam Chomsky bedeutet der globale Machtanspruch der USA das höchste Sicherheitsrisiko der Weltgeschichte. Die vordergründig gute Mission, die Welt zu demokratisieren, sie gesellschaftspolitisch zu vereinheitlichen und den Präsidenten in Washington einen gütigen und gerechten Vater sein zu lassen, entpuppt sich in Wirklichkeit als brutale Schlacht um Macht und nichts als Macht. Als Schlacht mit Hunderttausenden Toten und in Elend geratenen Gesellschaften, aus der aber eine zweite Supermacht hervorgehen könnte. Chomsky nennt sie die öffentliche Weltmeinung.

Freilich muss man auch überzeugt davon sein, dass eine Wahrheit durch eine andere ersetzbar ist - also die falsche Wahrheit der USA durch die richtige Wahrheit der öffentlichen Weltmeinung. Auch das ist letztlich wieder ein Machtspiel. Bleibt die Frage, ob es überhaupt eine gute oder eine schlechte Macht gibt. Und ob nicht jeder Macht der Missbrauch implizit ist. Aber es verlangt ja keiner, dass mit Noam Chomsky das Denken ein Ende haben muss.

Buch-Tipp
Noam Chomsky, "Hybris. Die endgültige Sicherung der globalen Vormachtstellung der USA", Übersetzer: Michael Haupt, Europa Verlag, ISBN 3203760169