Kalkulierter Tabubruch der Farrellys
Unzertrennlich
Schizophrene Polizisten, einhändige Bowling-Champions oder größenwahnsinnige Pizzalieferanten: An skurrilen Figuren hat es den Komödien der Gebrüder Farrelly noch nie gemangelt. Auch in ihrem neuesten Film "Unzertrennlich" bleiben sie ihrem Stil treu.
8. April 2017, 21:58
Hollywood ruft! Ein Gespräch unter Möchtegern-Kollegen.
Wie sich körperliche Behinderungen im täglichen Leben auswirken, ist stets auch eine Frage der Perspektive. So sind die beiden Brüder Bob (Matt Damon) und Walt (Greg Kinnear) zwar seit ihrer Geburt am Rumpf miteinander verwachsen, doch im amerikanischen Provinzalltag ist das kein Problem. Nicht beim Boxen, Joggen oder Eishockey. Auch nicht, wenn sich die beiden durch die hochprofessionelle Zubereitung von Hamburgern ihre Brötchen verdienen.
Auf nach Hollywood
Erst als Walt eine Karriere als Schauspieler in Hollywood anstrebt, ändern sich die Perspektiven in mehrfacher Hinsicht. Wo vorher Teamarbeit wichtig war, spielt plötzlich einer den Part des Solisten. Wo vorher das liebenswürdige Duo eine ganze Gemeinschaft schätzte, steht einer plötzlich immer nur als Hindernis im Weg.
Freak im Pornofilm?
Auf den ersten Blick ist "Unzertrennlich" eine von den Brüdern Bobby und Peter Farrelly gewohnt schrille Komödie, doch dahinter stecken jede Menge zynischer Anspielungen etwa auf den Umgang mit Menschen mit Behinderungen oder auf die Unterhaltungs- und Medienindustrie.
Als Freak im Pornofilmgenre hätte er sicher gute Karrierechancen, versichert man Walt. Doch nimmt er den Job des Schauspielers überhaupt ernst? So ernst, dass er seinem Agenten die Gage gleich mal im Voraus zahlen will?
Gnadenloses Aufzeigen von Defiziten
Die Pflege politischer Korrektheit gehört nicht gerade zu den Stärken der Filme von Bobby und Peter Farrelly. Im Gegenteil. Und dennoch liegt darin viel mehr gesellschaftliche Korrektheit und moralische Integrität als man hinter derben Späßen und oberflächlichen Geschmacklosigkeiten vermuten würde.
Stets stecken hinter gnadenlos aufgezeigten körperlichen oder psychischen Defiziten tiefe menschliche Sympathien für die Außenseiterfiguren. So gesellen sich Bob und Walt perfekt ins Figurenkabinett der Farrellys, das bislang einen schizophrenen Polizisten ("Ich, beide & sie"), einen einhändigen Bowling-Champion ("Kingpin") oder einen auf Krücken gehenden, größenwahnsinnigen Pizzaboy ("Verrückt nach Mary") beherbergt.
Glaube an das Gute im Menschen
Der kalkulierte Tabubruch der Farrelly-Brüder wird auch in "Unzertrennlich" zum Transportmittel für Botschaften hin zu einer besseren Welt. Der Glaube an das Gute im Menschen und an seine Erkenntnisfähigkeit wird bei den Farrellys belohnt. Glück erlangt man nicht durch Geld oder Ruhm, sondern indem man falsche Träume durch die richtigen Werte im Leben ersetzt, und das am besten in einer freundlichen Kleinstadt.
"Wir sind keine siamesischen Zwilling, wir sind Amerikaner", beharrt Walt mit patriotischem Stolz. Einmal mehr haben die Farrelly Brüder ihre ganz eigene - bisweilen naive, aber liebenswürdige - Vorstellung vom "American Dream" entworfen.
Unzertrennlich
(Stuck On You)
USA, 2003
Mit: Matt Damon, Greg Kinnear, Eva Mendes, Cher
Drehbuch und Regie: Bobby und Peter Farrelly