Überlebensmechanismen von Tieren

Überleben in der Kälte

Wie schafft es eine Schnappschildkröte im Schlamm eines Teichs zu überwintern, ohne dabei zu ersticken? Der Biologe Bernd Heinrich spürt in seinem jüngsten Buch "Winter World" den Überlebensmechanismen von Tieren im Winter nach.

Der Professor für Biologie Bernd Heinrich erforscht in einer der kältesten Gegenden der USA, dem Ostküstenstaat Maine, die Überlebenstechniken von Tieren im Winter. Zu den Techniken, die Tiere entwickelten, gehören etwa Winterschlaf, sich in Gruppen zusammenzutun oder eine Speckschicht anlegen.

Die Überlebenstechniken von Mensch und Tier sind ähnlich

Viele Strategien der Tiere, sich vor der Kälte zu schützen, sind jenen der Menschen nicht unähnlich. So wissen Eskimos und Schneehühner die Isolierfähigkeit von kompaktem Schnee zu schätzen. Schneehühner graben Schneelöcher, Eskimos bauen Iglus.

Die Ritzen von Türen und Fenstern zu verschließen ist eine Weiterentwicklung des Verhaltens von grauen Eichhörnchen, die das innere ihrer Nester mit überlappenden Schichten von Eichblättern schützen. Der Winterschlaf ist ein Privileg der Tiere, um das - wie Heinrich anmerkt - sie von vielen Menschen beneidet werden.

Das arktische Erdhörnchen

Das arktische Erdhörnchen - in Kanada sowie in der sibirischen Tundra beheimatet - nimmt eine Sonderstellung ein und gibt Biologen bis heute Rätsel auf. Es ernährt sich von Gras, und hat daher keine Möglichkeit, sich einen Wintervorrat anzulegen.

Von dieser vergleichsweise kalorienarmen Ernährung lässt sich zudem keine sonderlich dicke Speckschicht anlegen. Der Boden ist im Permafrost zu stark gefroren, als dass das Erdhörnchen einen tiefen und somit warmen Bau graben könnte. Es fällt also in seiner kalten Höhle acht Monate lang in einen Winterschlaf, der - bei einer Körpertemperatur knapp unter dem Gefrierpunkt - an Starre grenzt. Das gelingt keinem anderen Säugetier, zumal sich im Blut weder Zucker noch Glycerin, die beide als Frostschutzmittel wirken, nachweisen ließen. Dennoch friert das Blut nicht.

Manche werden zu Eis

Noch wundersamer ist die Überwinterung von Amphibien und Insekten, die zu wahren Eisklumpen frieren. Der Waldfrosch etwa toleriert bis zu 50 Prozent Eis in seinem Körper. Sobald er die ersten Kristalle registriert, schüttet sein Organismus große Mengen Glukose aus. Beim Menschen würde eine vergleichbare Menge Zucker ein Koma bewirken.

Das Wintergoldhähnchen

Der Star von Heinrichs Menagerie von Überlebenskünstlern ist das Wintergoldhähnchen aus der Ordnung der Sperlingsvögel. Ihm gilt in dem noch nicht übersetzten Buch "Winter World" die unverhohlene Hochachtung des Autors.

Das Wintergoldhähnchen wiegt nur etwa fünf Gramm und ist etwa so groß wie eine Walnuss. Einige der Vögel wandern nach Süden, doch wegen ihres besonders flaumigen Gefieders sind sie keine geborenen Zugvögel. Im Norden leben sie in Kleingruppen, um sich nachts aneinanderschmiegen zu können. Zwei Goldhähnchen in einer Baumhöhle zusammengekuschelt sparen jeweils 23 Prozent an Energie, zu dritt sind es gar 37 Prozent. Um seinen Energiebedarf zu decken, muss es täglich das Dreifache seines Körpergewichts fressen.

Goldhähnchen sind aber auch ein Beispiel dafür, dass es nicht nur über die Exoten etwa in den Wäldern des Amazonas viel Neues zu erforschen gibt. Denn es ist noch immer unklar, warum manche Goldhähnchen in den Süden wandern und andere nicht.

Buch-Tipp
Bernd Heinrich, "Winter World: The Ingenuity of Animal Survival", Ecco, ISBN 0060957379