Klaus Harpprecht - der Herr der Wörter
Die Kraft des Wortes
"Herr der Wörter" wird er genannt oder "wandelndes Lexikon", noch als 76-Jähriger ist er ein Workoholic der Sonderklasse - die Rede ist vom Stuttgarter Klaus Harpprecht - Essayist, Autor und Journalist bei mehreren großen Tageszeitungen.
8. April 2017, 21:58
Klaus Harpprecht's Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg
"Sprache ist das Tor zur Demokratie und ihr wichtigstes Werkzeug" - so formulierte es Klaus Harpprecht einmal, und viele Aussagen in seinen Kolumnen, Essays und Büchern folgten, die nicht nur aufrüttelten, sondern beeindruckten. Denn der Stuttgarter ist zwar ein nobler, aber kein stiller Beobachter der Zeit, der stilsicher seine "Feder" einsetzt, um die unterschiedlichsten Themen aufzugreifen und zu durchdringen.
Harpprechts Lebensweg
Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist Klaus Harpprecht journalistisch tätig. Bekannt geworden ist er aber auch durch seine schriftstellerische, publizistische Tätigkeit und als enger Mitarbeiter von Willy Brandt.
1927 in Stuttgart geboren, führte sein Lebensweg über verschiedene berufliche Tätigkeiten in Deutschland nach Amerika und schließlich nach Frankreich, wo er seit 1982 - in einem kleinen Ort in Südfrankreich in der Nähe von St. Tropez lebt.
"Das wandelnde Lexikon"
Klaus Harpprecht ist ein "wandelndes Lexikon", ein strenger Beobachter, der politische, kulturelle und historische Zusammenhänge herstellen kann und in seinen Artikeln und Werken auch dokumentiert. Einen Text über ihn zu formulieren, ist nicht leicht. Stets hat man das Gefühl, dass der groß gewachsene, wortgewaltige Stuttgarter hinter einem steht und stirnrunzelnd jeden Satz kritisch beäugt.
Geschrieben hat er immer und viel, und das seit mehr als einem halben Jahrhundert - so eine zweibändige Biografie über Thomas Mann oder auch eine Biografie über Georg Forster, über den deutschen Reiseschriftsteller und Jakobiner. In den 70er Jahren war Klaus Harpprecht drei Jahre für den S. Fischer Verlag verantwortlich. Danach führte ihn sein weiterer Weg zu Willy Brandt, dessen Schreibstube er leitete. Bis dato ist der Vielbeschäftigte oft unterwegs, schreibt regelmäßig für die Wochenzeitschrift "Die Zeit", für die "Süddeutsche Zeitung", die "New York Times" und die "Washington Post".
Seine Kindheit
Klaus Harpprecht wuchs in einem evangelischen Pfarrhaushalt auf. An seine Kindheit denkt er nicht oft zurück. 1934 zog seine Familie nach Nürtingen, der Heimatstadt von Friedrich Hölderlin. Der Vater von Klaus Harpprecht wurde dort hin versetzt - als "Mann der bekennenden Kirche", denn es war die Zeit des Kirchenkampfes, der Auseinandersetzungen zwischen den deutschnationalen Protestanten und der sogenannten "bekennenden Kirche". Der Kirchenkampf war tägliches Thema zu Hause. Und so wie die Synagogen gebrannt haben, brannte dann auch Deutschland ...
Nationale Familie
Die Grundstimmung in der Familie Harpprecht war die einer nationalen Familie, aber der Vater war von den Idealen eines Rechtsstaates überzeugt. Mütterlicherseits wurden Familienmitglieder von der Gestapo verhaftet, verhört und sind umgekommen. In der Familie von Klaus Harpprecht sind zwei Brüder gefallen, die den Offiziersberuf gewählt hatten, da ihnen dieser zumindest scheinbar "politisch unabhängig" erschien. Die Schwester - "die aufsässige Pfarrerstochter" - war die Mutigste, denn sie hat geflohene Zivilarbeiter und Deserteure bei sich versteckt und ihnen geholfen.
Reserveoffiziersbewerber und Flakhelfer
Klaus Harpprecht ging noch in die Schule, und zu einem bestimmten Zeitpunkt tauchten auch hier Rekrutierer für die SS auf. Er entging vorerst einer Einberufung, weil er sich als Reserveoffiziersbewerber meldete. 1943 wurde er schließlich als Flakhelfer eingezogen. Nach einer militärischen Grundausbildung, wurde er als Soldat zuerst in die Tschechoslowakei und dann in das Elsass verlegt. Und an den freien Abenden stieg Klaus Harpprecht auf die letzten Anhöhen des Schwarzwaldes, um die Lichter der Schweiz zu sehen, und dies war für ihn ein Zeichen, dass es irgendwo noch eine andere Welt gab, "als die Finsternis, die Deutschland umgab."
Kriegsende mit glattem Schulterdurchschuss
Gegen Kriegsende wurde Klaus Harpprecht verwundet. Er geriet in amerikanische Gefangenschaft:
"Die Amerikaner haben uns wie die Hasen gejagt. Ich wachte im Hospital mit einem glatten Schulterdurchschuss auf. Als ich aufstehen konnte, hockten in dieser typisch amerikanischen Haltung drei Gis, mit MPs auf den Knien. Hinter ihnen, auf einer Backsteinwand, war mit Kreide geschrieben: 'Hitler dead', und ich realisierte in diesem Augenblick, dass ich in Gefangenschaft war, realisierte aber auch, dass ich frei war."
Vom Lesen zum Schreiben
Nach dem Krieg schaffte Harpprecht mit Ach und Krach das Abitur. Er begann ein geisteswissenschaftliches Studium, das ihn aber nicht fesselte, denn die Professoren langweilten ihn, und das Wissen hat sich Klaus Harpprecht durch das Lesen von Büchern angeeignet. Sein Berufswunsch war es nun, Journalist zu werden. Vorerst arbeitete er um bescheidene 400 Mark als Redakteur bei "Christ und Welt". Als Bonner und Berliner Korrespondent sowie bei RIAS Berlin verdiente er dann schon mehr. Sein Bekanntheitsgrad wuchs und wuchs.
1958 begleitete er den deutschen Bundespräsidenten nach London, wo er auch seine Frau Renate Lasker bei BBC London kennen gelernt hat. "Der Rest ist Ehegeschichte" - formuliert Klaus Harpprecht diese Beziehung. Sie ist aber auch eine gemeinsame Berufsgeschichte. Mit seiner Frau produzierte er u. a. TV-Serien für die "Windrose", ein geplantes privates Fernsehprojekt.
Washington - Bonn - Washington - Frankreich
Familie Harpprecht reiste viel und lieferte fast jede Woche einen Film ab. Hinzu kamen wöchentliche Kolumnen für die Zeitungen. Als Amerika-Korrespondent baute er das Washingtoner Büro des ZDF auf. Von Washington kehrte er dann nach Bonn zurück: 1972 wurde er dann Leiter der Schreibstube von Willy Brandt im Bundeskanzleramt. Nach dem Rücktritt von Brandt übersiedelte er wieder als Korrespondent nach Washington. Ein Holzhaus in Südvirgina hätte er sich gut vorstellen können. Aber es kam anders: Seine Frau Renate ist auch französische Staatsbürgerin, und bei einem Urlaub in Südfrankreich, haben die beiden ihr Zuhause in einem kleinen Ort in der Nähe von St. Tropez gefunden.
Was zeichnet einen guten Journalisten aus?
Klaus Harpprecht ist seit 55 Jahren Journalist , er hat die unterschiedlichsten Entwicklungen im Journalismus beobachtet und ist sich und seinem Stil immer treu geblieben - der Sprache und dem sorgsamen Umgang mit ihr. Denn einen guten Journalisten zeichnet ...
"... A die Sprache und O die Sprache aus. Dazwischen Gründlichkeit der Recherche, Hingegebenheit an die Wichtigkeit der Person oder des Problems, mit dem man sich beschäftigt. Eine gewisse Passion, mit der sich auch hinter aller Skepsis, hinter allem Zynismus als kleines, aber nicht unwichtiges Element die kleine, nicht unwichtige Hoffnung verbindet, dass man dadurch, was man schreibt, im Radio spricht, im Fernsehen zeigt oder im Internet vorführt, einen winzigen Beitrag zur Vernunft der Menschen leistet."
Mehr zu den Büchern von Klaus Harpprecht in oe1.ORF.at