Michael Krüger feiert 60. Geburtstag
Die Bibliothek im Kopf
Er ist Verleger und Schriftsteller in Personalunion. Für seine Lyrik und Prosa wurde er mit namhaften Preisen bedacht: Michael Krüger, ein Weggefährte, ein Freund, der sich respekt- und liebevoll vor seinen Kollegen verbeugt. Dieser Tage feiert er seinen 60. Geburtstag.
8. April 2017, 21:58
Michael Krüger über seine Kindheit
In der Pressemappe zum 60. Geburtstag von Michael Krüger findet sich ein Fragebogen mit drei Fragen, die man dem deutschen Verleger und Schriftsteller vor Jahren gestellt hat: drei Fragen - und drei bemerkenswerte Antworten:
Was gefällt Ihnen an sich besonders?- "Meine Unruhe."
Was mögen Sie an sich gar nicht? - "Meine Unruhe."
Was treibt Sie an? - "Die Angst vor dem Tod."
Fragen, Fragen, Fragen...
Was an allen Gedichten von Michael Krüger auffällt: In seinen Texten werden immer viele Fragen gestellt. "Bist du das?", "Wer spricht?", "Was blieb zurück?", "Hast du je hier gelebt?", "Wo befinden wir uns jetzt?", "Was wolltest du werden?".
"Archive des Zweifels" hat der Schriftsteller einen bei Suhrkamp erschienenen Sammelband mit eigenen Gedichten aus drei Jahrzehnten genannt. Das Fragen - so Krüger - das habe schon damals in der Kindheit begonnen...
Seine Liebe zu den Großeltern
1943 - mitten im Krieg - wurde Michael Krüger in Wittgendorf bei Leipzig geboren. In vielen Gedichten lassen sich Spurenelemente dieser Kindheit entdecken, blitzen kurz Gedächtnissplitter auf. Michael Krüger im Nachdenken über die ersten Jahre seiner Kindheit und über seine besondere Beziehung zu den Großeltern:
"Mein Großvater konnte über 100 Vögel an ihren Stimmen erkennen, nicht gerechnet die Dialekte, die in den Hecken gesprochen wurden, dunklen Schulen hinter dem Hof, wo die Blaukehlchen Aufsicht hatten ...", schwärmt er.
Im Gedicht "Wo ich geboren wurde" steht zu lesen: "Mein Großvater las nicht mehr. Alle Bücher stehen in meinem Kopf, sagte er, aber ganz durcheinander...
Als Schriftsteller vielseitig
Als Schriftsteller wurde Michael Krüger mit vielen literarischen Preisen ausgezeichnet, so etwa mit dem Peter-Huchel-Preis, dem Ernst-Meister-Preis und vielen anderen. Gedichtbände, Geschichten, Novellen, Romane - sein literarisches Werk ist umfangreich und vielfältig.
Seine Novelle "Das falsche Haus" liest sich wie ein spannender Krimi, sein Roman "Die Cellospielerin" ist eine eigenwillige tragikomische Liebesgeschichte, die einen alternden Münchner Komponisten bei seiner Beziehung zu einer jungen Cellistin aus Budapest an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt.
In "Das Ende des Romans" wird das Scheitern eines Schriftstellers deutlich, im Roman "Himmelfarb" entpuppt sich der vermeintliche Erfolg eines Autors als große Lebenslüge.
Krüger, seit vielen Jahren auch Herausgeber der Zeitschrift für Dichtung "Akzente" und der Buchreihe Edition "Akzente" hat sich aber vor allem auch als Lyriker einen Namen gemacht.
"Aus der Ebene", "Diderots Katze", "Hinter der Grenze", "Kurz vor dem Gewitter" - in zahlreichen Lyrik-Bänden übt Krüger den ruhigen, genauen Blick: "Eine Stille horcht die Menschen aus - und ihre Augen suchen rasch das Weite."
Lehrwerkstätte London
Eine wichtige "Lehrwerkstätte wurde London. Nach der Lehre als Verlagsbuchhändler und Buchdrucker und einem Studium der Philosophie in Berlin arbeitete Michael Krüger von 1962 bis 1965 als Buchhändler in der englischen Hauptstadt.
"Es war eine spannende Zeit. Ich lernte Elias Canetti und viele andere Autoren kennen, und zum ersten Mal begriff ich, was Emigration bedeutet, was es bedeutet, seiner Kultur, seiner Sprache, seiner Identität beraubt zu sein...
Erfolgsstory Carl-Hanser-Verlag
1968 - wieder zurück in Deutschland - kam Michael Krüger als Lektor zum Carl-Hanser-Verlag in München. Eine erfolgreiche, bis heute andauernde Zusammenarbeit begann.
1986 wurde Michael Krüger zum literarischen Leiter des Hanser-Verlages berufen, unter seiner Regie entwickelte sich der Verlag zu einem der erfolgreichsten deutschen Verlage für belletristische Literatur. Viele namhafte Autorinnen und Autoren finden sich im Programm.
Heute ist Michael Krüger Geschäftsführer des Verlages. Seit 1995 bietet Hanser auch ein eigenes anspruchsvolles Kinderbuch-Programm an, das mit Bestsellern wie "Sophies Welt" von Jostein Gaarder auch zum wirtschaftlichen Erfolg des Verlagshauses beitragen konnte. Durch die Erwerbung der Verlage Zsolnay, Nagel & Kimche und Sanssouci hat der renommierte Verlag auch an Marktvolumen beachtlich zugelegt.
"Ein Orden für die Schnecke"
So sehr sich der Lyriker in seinen Gedichten Zeit lässt für seinen Blick auf die Welt, als Verleger weiß er, dass rasches Mitdenken, oder noch besser: Vorausdenken gefragt ist.
In einem der berüchtigten Fragebögen sagte er auf die Frage "Wem würden sie mit welcher Begründung einen Orden verleihen?" - "Der Schnecke. Für ihre Bemühung um Langsamkeit."
Die Angst vor dem Tod
So sehr Michael Krüger von der Kindheit schwärmt, so sehr ist in seinen Gedichten auch die Angst vor dem Tod spürbar. Im Gedichtband "Kurz vor dem Gewitter" findet sich ein kurzes Gedicht mit dem Titel "Das elfte Gebot".
"Du sollst - nicht sterben - bitte."
Vor allem dieses flehentliche machtlose "bitte" am Ende berührt ...
"Auch der Tod ist nur eine Anspielung auf das Leben" - heißt es im Gedichtband "Aus der Ebene". Da haben wir sie wieder, die Angst vor dem Tod, die immer wieder in den Gedichten angesprochen wird.
Die Bibliothek im Kopf hat noch Platz
Mehrere Stunden dauert das intensive Gespräch von Heinz Janisch mit Michael Krüger in seinem Büro in München, da wird das Mikrofon zwischendurch auch zur Seite gelegt, wird in neuen Büchern geblättert. Der 60. Geburtstag scheint für den Verleger und Schriftsteller nur ein Anlass mehr zu sein, um sich Gedanken über die eigene Tätigkeit und das Befinden seines Verlages zu machen.
Die Bibliothek im Kopf hat noch Platz für viele neue Bücher. Viel zu viele Zigaretten werden geraucht. Über deutsche und österreichische Eigenheiten, über den Buchmarkt, die schwierige Wirtschaftslage wird laut und kritisch nachgedacht, über die unverwüstliche Liebe zur Poesie und - über neue mögliche Strategien für die Zukunft.
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