Eine Frage der Verteilung

Auf der Suche nach dem guten Leben

Frauen machen sich weltweit auf die Suche nach dem guten Leben. Dazu gehört Gerechtigkeit - welche Rolle dabei Reichtum spielt und wie unterschiedlich dieser aussehen kann, damit beschäftigt sich die heutige Folge des Radiokollegs.

Armut drückt sich im Mangel an fundamentalen Verwirklichungschancen aus und nicht bloß in einem niedrigen Einkommen. In einem reichen Land verhältnismäßig arm zu sein, kann die Verwirklichungschancen selbst dann extrem einengen, wenn das absolute Einkommen gemessen am Weltstandard hoch ist.

Der Grund ist ganz einfach, schreibt der Nobelpreisträger Amartya Sen in seinem Buch "Ökonomie für den Menschen": in einem reichen Land braucht man viel mehr Geld als in einem armen Land, um am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen. Wenn es um die Frage der sozialen Gerechtigkeit geht, dann reicht es nicht, genaue Rechnungen für eine gerechte Verteilung des Geldes anzustellen. Denn das Gute ist nicht für alle dasselbe, weil alle unterschiedliche Bedürfnisse haben. Das ist eine Einsicht, die sich bereits bei dem antiken Philosophen Aristoteles findet.

Gerchtigkeit ist keine Frage der Verteilung

Gerechtigkeit ist nicht primär eine Frage der gerechten Verteilung. Zuerst muss klar sein, was jemand braucht, um gut zu leben, und dann kann man erst die Frage nach der gerechten Verteilung stellen.

Ein Mensch mit Behinderung braucht z. B. mehr Geld als ein Mensch ohne Behinderung, weil Therapien und technische Hilfsmittel eben teuer sind, und ein Mensch mit Behinderungen ohne diese Unterstützungen kein besonders gutes Leben hat. Oder eine alleinerziehende Mutter oder eine Familie mit vier Kindern braucht mehr Geld als ein Ehepaar ohne Kinder, denn ein gutes Leben bedeutet unter anderem auch, dass Kinder gut betreut werden und eine gute Ausbildung bekommen können. Mit anderen Worten, die Frage nach Gerechtigkeit ist von der Frage nach dem guten Leben für alle nicht zu trennen.

Buch-Tipps
Ina Prätorius, "Die Welt - ein Haushalt. Texte zur theologisch-politischen Neuorientierung", Mainz 2002, ISBN 3786724024
Ina Prätorius, "Zum Ende des Patriarchats. Theologisch-politische Texte im Übergang", Mainz 2000, ISBN 3786722307