Von globaler Gewalt zur sozialen Globalisierung
One World
"In der globalen Demokratie liegt das größte Abenteuer unserer Zeit!", schreibt der amerikanische Autor und Soziologe Charles Derber. In seinem Buch "One World" beschäftigt er sich mit der Geschichte der Globalisierung und den Chancen ihrer Gegenbewegungen.
8. April 2017, 21:58
Der bekannte deutsche Soziologe Ulrich Beck befand kurz nach den 9/11-Anschlägen in den USA, dass der Ausbruch des globalen Terrors einem "Tschernobyl der Globalisierung" gleichkommen würde. In der Tat hat sich seither der internationale Globalisierungs-Diskurs - ob nun auf dem Kontinent oder auch in Übersee nicht nur verstärkt und verschärft, sondern auch verändert. Die Globalisierung ist das vorherrschende politische Thema - auch in den reichen Gesellschaften.
Asoziale US-Politik
Der Bostoner Soziologe zieht eine Parallele in die Gegenwart und lässt kein gutes Haar an der derzeitigen US-amerikanischen Politik, denn die gegenwärtigen, negativen weltwirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Globalisierung seien untrennbar mit der Politik der USA verbunden. Vor allem ihre Hegemonialansprüche und ihre Weltpolizisten-Haltung, die - gegen jedes internationale Recht - arrogant und cowboyisch sei. Diese Haltung hätte die Welt brüchiger gemacht, sei also schlichtweg asozial und zu bekämpfen.
"One World" trägt deshalb im Untertitel auch schon die These des Buches zu einer positiven Veränderung der Welt: Von globaler Gewalt zur sozialen Globalisierung. Charles Derbers Buch entlarvt die Mythen der globalen Ökonomie und eröffnet Wege zu einer gerechteren Weltordnung.
Wir haben bereits im letzten Jahrhundert die Globalisierung neu erfunden. Sie ist nicht gottgegeben wie die Dämmerung: Wir können etwas Neues schaffen. Die gesamte Weltgeschichte kann als chronischer Kampf verstanden werden, zusammengebrochene Weltordnungen neu zusammenzufügen.
Schlüssige und scharfsinnige Analysen
Charles Derber ist kein globalisierungskritischer Kleinkrämer und sein Buch ist eine differenzierte, schlüssig geschriebene, scharfsinnige Analyse der Gegenwart. Was er entwirft erscheint dem Leser vielleicht in manchen Punkten noch als Hirngespinst, doch brauchbare Ideen findet er allemal.
"One World" wendet sich gegen die landläufigen Vorstellungen dessen, was ich als Globalisierungsmystik bezeichne. In dieser Mystik ist Globalisierung unvermeidbar, technologisch bestimmt und eigenmotorisiert. In ökonomischer Hinsicht gilt sie als sicherer Goldesel für arme wie reiche Nationen. Politisch betrachtet demokratisiert sie die Welt. Ihre kulturelle Mystik erklärt den Konsum zum Sinn des Lebens auf Erden.
Schockwirkung auf die Eliten der Welt
Derber analysiert die gegenwärtige Situation in einer verständlichen, anschaulichen Sprache und mit Verzicht auf alarmistische Polemik oder Verschwörungstheorien.
Das neue Denken für eine demokratischere Weltordnung hat bereits Schockwirkung auf die Eliten der Welt gehabt und neue Hoffnung geschaffen. Die Jungen, so Derber, und das zeigten Studien, sind sehr wohl interessiert, an der Gestaltung ihres kollektiven Schicksals mitzuwirken. Doch eine Rahmenbedingung für den Wandel sei, so Derber, ein Muss.
Charles Deber: "Schickt George W. Bush wieder heim nach Texas und lasst ihn nicht mehr raus. Das Zweite ist: Wenn du Bush los bist und einen Demokraten ran lässt wird sich die Politik nicht ändern. Also müssen all die sozialen Bewegungen wie Attac in den USA und in der ganzen Welt eine neues politischen System schaffen und eine andere Sprache sprechen."
Hoffnung globalisierungskritische Bewegung
Derber untermauert in "One World" zwar seine Ausführungen mit volkswirtschaftlichen Statistiken oder Fachliteratur, konterkariert sie aber nicht mit Horrorszenarien. Seine große Hoffnung ruht auf der globalisierungskritischen Bewegung und auf Europa, das eine Führungsrolle übernehmen und gemeinsam mit der Dritten Welt dem amerikanischen Hegemonialanspruch die Stirn bieten müsse.
Eine in ihrer Macht begrenzte demokratische Weltregierung, von Bürgern kontrollierte nationale Regierungen, rechenschaftspflichtige globale Unternehmen, durch Bürgerbeteiligung gestärkte Kommunalregierungen und "eine neue internationale Gemeinschaft, die die unilaterale Macht starker Nationen zum Wohle kollektiver Sicherheit beschneidet" bilden die fünf Säulen des Derber'schen globalen Demokratieentwurfs, wobei - so seine These - Demokratie auf jeder Ebene "Demokratie auf allen Ebenen" voraussetzt.
Europa muss seine eigenen demokratischen und egalitären Prinzipien verteidigen, dann kann es der Welt ein Modell für einen globalen New Deal aufzeigen.
Ein flammendes Plädoyer
Derbers Buch ist ein flammendes Plädoyer, die Regeln des Globalisierungsspiels mitzugestalten - aktiv und nicht ohnmächtig zu sein. Nur so könne sich etwas ändern, denn eine Nation von Schafen bekomme eine Regierung von Wölfen. Stand up for your right!, sagt Charles Derber.
Buch-Tipp
Charles Derber , "One World. Von globaler Gewalt zur sozialen Globalisierung", übersetzt von Wolfgang Spindler. Erw. u. überarb. Ausg. 2003, Europa Verlag Hamburg, ISBN 3-203-76150-5.