Gebastelte Rasanz
Fast Film
Widrichs 14-minütiger "Fast Film" ist eine rasante und fulminante Hommage an das alte Hollywoodkino und an Witz und Raffinesse allen computerunterstützten Blockbustern überlegen.
8. April 2017, 21:58
Leicht macht es sich Virgil Widrich nicht: 65.000 ausgedruckte Einzelbilder aus rund 300 alten Filmen hat Widrich für "Fast Film" in Handarbeit zerrissen, zerstückelt, zu Papierobjekten gefaltet, in neuen Zusammenhängen arrangiert und schließlich mit einer Animationskamera wieder abgefilmt. Zweieinhalb Jahre dauerten die Arbeiten zum Film.
Alles beginnt mit dem berühmten "Casablanca"-Kuss, doch Feinde lauern überall. Schon bald ist eine wilde, verwegene Jagd im Gange, die ihre Höhepunkte in einem Eisenbahn-Wettrennen und einem Angriff von Papierfliegern findet, bei dem mit Büroklammern geschossen wird.
Antwort auf Digitale Bildwelten
Virgil Widrich hat mit Papier und Schere eine freche und subversive Antwort auf die digitalen Bastelkünste von Hochleistungsrechnern gegeben und dabei eine liebevolle Verneigung vor dem Zauber des Kinos geschaffen.
Der experimentelle Spielfilm "Copy Shop", im Vorjahr für einen Kurzfilm-Oscar nominiert, hat Widrich über Nacht international bekannt gemacht.
Furiose Filmgeschichte
"Fast Film", eine mehrheitlich österreichische Koproduktion mit Luxemburg, ist eine Hommage an das "Action-Kino". Technisch raffiniert war schon Widrichs "Copy Shop": Der zwölfminütige Schwarz-Weiß-Streifen über einen Copyshop-Betreiber, der sich selbst so lange vervielfältigt, bis die ganze Welt nur noch aus ihm besteht, wurde zunächst als farbiges Digital-Video gedreht.
Anschließend wurden die rund 18.000 Filmkader mit einem Laserdrucker ausgedruckt, schwarz-weiß kopiert, am Tricktisch animiert und schließlich wieder auf 35 Millimeter abgefilmt. Über 30 Preise und weit über 100 Festival-Einladungen hat der Film - nomen est omen - seither eingeheimst.
Ein geborener Filmemacher
Widrich, am 16. Mai 1967 in Salzburg als Sohn des ehemaligen Pressechefs der Salzburger Festspiele geboren, begann schon als Zwölfjähriger mit der Herstellung von Super-8-Filmen. Mit 17 hatte er - während es schulisch stetig bergab ging - bereits fünf Kurzfilme und einen Langfilm gedreht und dabei alle möglichen Genres durchprobiert, von der Dokumentation über den Stumm- und Trickfilm bis zu Action und Science Fiction.
In seinem ersten abendfüllenden Streifen "Vom Geist der Zeit", der 1985 bei den Welser Filmtagen uraufgeführt wurde, legte unter anderem der langjährige Nachbar der Familie Widrich in Salzburg, Peter Handke, einen Gastauftritt hin.
Unangepasstes Multitalent
Die Wiener Filmakademie verließ der "Autodidakt" (Widrich über Widrich) 1986 bereits nach mehreren Wochen aus Widerwillen gegen den bürokratischen Schulbetrieb. In den folgenden Jahren gründete er unter anderem einen Filmverleih, betreute eine Greenaway-Ausstellung, organisierte in Salzburg das Filmfestival "Diagonale", schrieb Drehbücher, arbeitete im Multimediabereich, knüpfte Kontakte und eignete sich so, das Filmemachen als Fernziel immer im Hinterkopf, bewusst Fertigkeiten an, die man dafür braucht.
Einem breiteren Publikum bekannt wurde Widrich dann schließlich mit seinem Spielfilm Heller als der Mond (2000), in dem unter anderem Horst und Christopher Buchholz und Lars Rudolph prominent mitwirkten.
Geschäftstüchtig
Da Widrich auch Anteile an der "Amour fou" Filmproduktionsfirma hält, die mit noch drei weiteren Filmen in Cannes vertreten war, freute er sich doppelt über die starke österreichische Präsenz an der Croisette. "Das beweist einmal mehr, dass der österreichische Weg der richtige ist", so Widrich in Cannes, "Wir können nicht teurer sein als die anderen, wir können nur künstlerischer sein."
Fast Film
Österreich, 2003
Drehbuch und Regie: Virgil Widrich