Superhelden liegen im Trend des Gegenwartskinos.

Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen

Den Allmachtsfantasien eines "Phantoms" muss die "Liga außergewöhnlicher Gentlemen" in der gleichnamigen Comic-Verfilmung ein Ende bereiten: Eine James-Bond-Story an der Wende zum 20. Jahrhundert.

"Ich will die Welt!". An Bescheidenheit leidet das "Phantom" keinesfalls. Und auch an Raffinesse, Hinterhältigkeit und Brutalität fehlt es nicht. Aufrüsten, aufrüsten und nochmals aufrüsten. Panzerwagen und Maschinengewehre stehen auf der Produktionsliste. 1899 jedenfalls waren das Innovationen, denen die Gegner aus dem öffentlichen Dienst kaum was entgegenzusetzen hatte.

Der Plan des "Phantoms": die Sabotage eines Treffens führender Politiker in Venedig und so die Welt ins Chaos stürzen. Doch weil man es Schurken im Kino nicht allzu leicht machen darf, stellt das britische Empire eine "Liga außergewöhnlicher Gentlemen" zusammen, die dem "Phantom" die Stirn bieten soll.

Stärken und Schwächen

Vorweg: Hier wird nicht verstohlen hinter vorgehaltener Kamera zitiert. Im Gegenteil: Recycling pur ist angesagt. Zitate an sich werden zum vordringlichsten Stilmittel, allein schon durch die Benennung der Liga-Helden: Allan Quatermain, Dorian Gray, Kapitän Nemo, Agent Sawyer, Dr. Jekyll und Mr. Hyde im Hulk-Stil, und die Vampirin Mina Harker, die einst von Dracula gebissen wurde.

Und auch die Bösen haben ihre Referenzpunkte in der Literatur- und Kinogeschichte: Das Phantom ("sehr opernhaft", so Quatermain) Dr. Moriaty, einst Gegenspieler von Sherlock Holmes. Jeder hat seine eigene Stärke, aber auch so manche Schwäche, weil diese nach "Spiderman", "Daredevil" und "Hulk" wohl zur Grundausstattung von Superhelden gehören. Mehr Menschlichkeit, man versteht.

Nicht nur Gentlemen

Außerordentliche Zielsicherheit am Gewehr, Unsichtbarkeit, Weisheit in der Wissenschaft, Erfindungsgeist, Bärenkräfte, Verwandlungskünste, Unsterblichkeit und jeden Mut der Welt, kein Zweifel, dass die Liga-Angehörigen außergewöhnliche Helden sind.

Eher schon, ob sie Gentlemen sind. Mal abgesehen davon, dass sich mit Miss Harker auch ein weibliches Liga-Mitglied eingeschlichen hat.

Rausch digitaler Künstlichkeit

Superhelden nach Comic-Vorlagen liegen im Trend der Kinogegenwart. Nicht nur jene aus dem Hause Marvel, sondern auch jene von Zeichner Alan Moore, der bereits die Vorlage zum dunkel-apokalyptischen Ripper-Film "From Hell" (2001) lieferte. Das Bemühen um Düsterkeit und Unheimlichkeit ist auch Regisseur Stephen Norrington nicht abzusprechen, und dennoch will es nicht gelingen:

(Unfreiwillig) humorig fällt die Figurenzeichnung aus, launig die Ausstattung, die sich in einen wahren Rausch digitaler Künstlichkeit hineinsteigert. Ein nachgestelltes Venedig lässt man eben gerne mit Schadenfreude untergehen und so manche Action-Szene nimmt ein Schnitttempo an, das selbst an Rasanz in der Wahrnehmung gewohnte Zuseher auf eine harte Probe stellt. Vielleicht soll man ja auch gar nicht so genau hinsehen und die Aufmerksamkeit mehr den Ausstattungs-Gimmicks widmen: Nemos Nautilus zischt in Form eines orientalischen Schwerts durch die Meere und bei der Wahl der Autos hat man sich für eine Mischung aus Bat-Mobil und Alfa Romeo entschieden.

Symbol für Erstarrung

Vor derart hartnäckiger Dekorkunst müssen die Figuren zwangsläufig kapitulieren, zumal das Drehbuch ihre Auftritte in allzu bekannte Bahnen leitet. Das von Quatermain (genauso wie Sean Connery als Anführer eines vergleichsweise unbekannten Schauspieler-Ensembles) angeführte Figurenensemble spult zwischen kollektiver Ehrfurcht und wohldosierten Solo-Einlagen eine routiniertes Programm der Weltrettung ab.

Quasi wie bei einem Konzert: Jeder darf mal im Mittelpunkt stehen. Und dann - husch, husch! - zurück in die eigene Rolle. Selbst ein Verrätermotiv mag da keine Überraschungen bringen, zumal schon zur Mitte des Films die Person dahinter aufgedeckt wird.

Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen
(League of extraordinary Gentlemen)
USA, 2003
mit: Sean Connery, Stuart Townsend, Peta Wilson, Shane West
Drehbuch: James Robinson
Regie: Stephen Norrington